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FBW-Bewertung: Amazonia - Abenteuer im Regenwald (2013)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Ein kleiner Affe, herrliche Tieraufnahmen, eine atemberaubende Umgebung: AMAZONIA ist Familienunterhaltung, wie man sie sich wünscht. Nach der Notlandung im Dschungel kann Kapuzineräffchen Sai aus seinem Käfig entkommen. Das erste Mal in seinem Leben ist er wirklich frei. Aber für den Hausaffen ist die Wildnis am Amazonas keine Heimat, sondern gänzlich unbekanntes Terrain.
Tierfilmer Thierry Ragobert lässt Bildersprechen. In aufwändigen Aufnahmen folgt er Sai auf seinem Weg in ein neues Leben, von den ersten, vorsichtigen Schritten, bis zur Kontaktaufnahme mit einer wilden Kapuzineraffengruppe.
AMAZONIA erzählt mit gut gewählten Bildern vom atemberaubend bunten Kosmos des brasilianischen Regenwaldes.Dabei nutzt der Film die 3D-Technik genauso konsequent wie zurückhaltend. Mit Freude hat die Jury festgestellt, dass Ragobert auf übertriebene Spielereien verzichtet. Keine Liane peitscht vors Auge des Zuschauers und kein Insekt macht Jagd auf seine Stirn.
AMAZONIA, als Dokumentarfilm eingereicht, eignet sich nach Ansicht der Jury in seiner Mischung als Doku-Fiction besonders als Familien- bzw. Kinderfilm. Der freundliche Duktus der Erzählstimme, die einspringt, wo Bilder nicht unbedingt ausreichen, und auch die recht klein gewählten Spannungsbögen legten das nahe.
Kapuzineräffchen Sai hat viel zu lernen auf seinem Weg in die Freiheit. Zusammen mit ihm können die Zuschauer einiges über Fauna und Flora am Amazonas erfahren. Immer wieder steht der kleine Affe vor unbekannten Gefahren. Er muss Nahrung und Wasser finden und sich wilder Tiere erwehren, und er schafft dies auch, wenn auch nicht immer auf Anhieb. Aber so ist das Leben und der Film trägt dem Rechnung. Dabei bleibt AMAZONIA immer kindgerecht spannend. Auf Gefahr folgt immer auch Befreiung, so dass sich selbst jüngere Zuschauer nicht zu lange ängstigen müssen.
Anerkennend hat die Jury auch wahrgenommen, dass sich Ragobert nicht sogleich auf jedes Tier stürzt, das vor seine Kamera läuft. Die Artenvielfalt am Amazonas ist gewaltig. Nicht alles aber lässt sich kindgerecht erklären. AMAZONIA lässt sich daher Zeit, verzichtet auf spontane Erläuterungen für augenscheinliche Phänomene. So wirddas Verhalten von Blattschneiderameisen, oder das Vorhandensein riesiger Wurzeln an einigen Baumarten erst erklärt, nachdem sie filmisch mehrfach festgehalten worden sind. Die Wiederkehr der Bilder fördert das Verständnis und beugt gleichzeitig der Überforderung vor.
Mit Tiertrainern und viel Zeit hat das Team um Thierry Ragobert eine schöne Geschichte kreiert. Aber die Jury hat leider auch kritische Anmerkungen zu AMAZONIA. Für das Verständnis der Jury kommt die Geschichte Sais zu glatt, postkartengleich und konventionell daher. So wird die größte Gefahr im Urwald, der brandrodende Mensch, zur Randerscheinung gemacht: Ein kleines Mädchen, das den Affen an sein altes Zuhause erinnert, überspielt (im wahrsten Sinne des Wortes) die abgebrannten Baumstümpfen in der grünen Lunge der Erde. Kritische Botschaften hat die Jury vermisst, obwohl Kinder heute schon im Grundschulalter auf die Konsequenzen menschlichen Handelns im Urwald hingewiesen werden.
Und auch in einer anderen Hinsicht fand die Jury den Film nicht vollendet überzeugend. Kontinuitätsfehler haben die Jury bei diesem finanziell, genauso wie zeitlich, aufwändigen Film überrascht: Wenn ein Areal von derdoppelten Größe der Bundesrepublik ein halbes Jahr lang überflutet sein soll, dieses im Film aber schon nach 10 Minuten wieder trocken gefallen ist, dann werden sich auch jüngere Zuschauer fragen, was mit diesen Wassermassen passiert ist. AMAZONIA gibt darauf leider keine Antwort.
Aus diesen Gründen hat sich die Jury für das Prädikat ?wertvoll? für diesen ansonsten wirklich liebevoll gemachten Film entschieden.




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