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FBW-Bewertung: Maman und Ich (2013)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Eine Komödie mit besonderem Gehalt, einem großartigen Hauptdarsteller in zwei tragenden Rollen und einem immer aktuellen Thema: der Suche nach der sexuellen Identität.
Der Originaltitel des Films ?Les garcons et Guillaume, ? table? weist deutlicher aufs Thema hin, als seine deutsche Übersetzung.Denn Guillaume Gallienne wurde immer genau so zu Tisch gerufen, er war zwar ein Junge, hatte aber den Wunsch seiner Mutter nach einer Tochter so nachhaltig in sich aufgenommen, dass er viele Jahre seines Lebens von seiner Familie für homosexuell gehalten wurde, begleitet von zahlreichen Therapieversuchen und vielen Missverständnissen. Nach der erfolgreichen Bühnenshow gleichen Titels hat Gallienne nun als Regisseur und in zwei Rollen, als er selbst und der seiner Mutter, einen ebenso unterhaltsamen wie humorvollen und dennoch tiefgehenden Film geschaffen.

Seine Rolle in dieser Tragikomödie spielt er nicht, er lebt sie, und nur so ist zu erklären, dass dieser Film wie ein wahres Kunstwerk überzeugt, den Zuschauer mitnimmt in die Welt, wie Gallienne sie als Kind wahrnahm. Seine Mutter, eine dominante und selbstbewusste Frau, wird dabei von ihm selbst durchaus liebevoll dargestellt und um dieser Liebe, die er als Sohn empfindet, den richtigen Ausdruck zu verleihen, bemüht er sich, Mama Freude zu bereiten. So wird er von der Familie alsbald in die homosexuelle Ecke gestellt, was dem Film Gelegenheit gibt, immer wieder von Neuem großartig mit all den Klischees, Vorurteilen und Ängsten zu spielen, die dem Thema innewohnen.
Symbolische Szenen fehlen ebenso wenig wie gängige, in vielen Filmen zitierte Eindeutigkeiten.
Gallienne findet wunderbare Vergleiche, die belegen, wie schwer es sein kann, aus der einmal zugedachten Identität auszubrechen und sich selbst zu finden.
So schafft es der Film mit teilweise todtraurigen Feststellungen den Zuschauer trotzdem zum Lachen oder wenigstens zum Schmunzeln zu bringen. Die Suche nach seiner sexuellen und damit menschlichen Identität führt Gallienne immer wieder zu neuen Höhepunkten der menschlichen Komödie. Die großartige schauspielerische Leistung, Regie und Kameraarbeit fesseln durch unerwartete Ideen.
In einem emotionalen Monolog, seinem coming out als Hetero richtet er sich an seine Mutter und erklärt ihr seine ewige Sohnesliebe mit so einfühlsamen Worten, dass neben der Komik des Moments auch die Tragik seiner Kindheit deutlich wird. Ein Film, der mit seiner besonderen Thematik eine wichtige Position einnimmt, mit seiner genialen filmischen Ausdrucksform sein Thema ernsthaft und komisch beschreibt, sein Publikum emotional abholt.



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