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FBW-Bewertung: Die Bücherdiebin (2014)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Wie war das Leben für ein junges Mädchen im Deutschland der NS-Zeit? Diese Frage steht im Zentrum der Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Markus Zusak. Als Pflegekind wird Liesel Meminger 1938 in einer deutschen Kleinstadt von einem armen Schildermacher und seiner Frau aufgenommen. Sie ist ein aufgewecktes Kind, kann aber noch nicht lesen. Ihr neuer Vater bringt ihr in einer filmisch geschickt gestalteten Sequenz (die Wände des Kellers werden mit Buchstaben bemalt, unter die jedes neu gelernte Wort geschrieben wird) die Liebe zum geschriebenen Wort bei und so wird sie zu einer leidenschaftlichen Leserin, für die die Literatur eine Flucht vor der schlimmen Realität bietet. Zuerst ist sie eine begeisterte Anhängerin des Führers, aber schon bald erkennt sie, wie brutal das faschistische System ist, denn ihre Eltern verstecken den Juden Max im Keller ihres Hauses. Dieser Bruch wird mit einer Schlüsselszene verdichtet, in der Max zum ersten Mal in seinem Unterschlupf aufwacht und als erstes das Hakenkreuz auf der BDM-Uniform der über ihn gebeugten Liesel sieht. Dies ist ein Beispiel für die zugleich subtile und einfallsreiche Regie von Brian Percival, der auch mit sehr viel Sorgfalt die Baubühne, Ausstattung und Kostüme nutzte. So wirken etwa eine Sequenz, in der Liesel Zeuge der Bücherverbrennung wird, die Bibliothek des reichen Nazis der Stadt oder auch der Keller ihres Elternhauses mit all den historisch stimmigen Details sehr authentisch. Geoffrey Rush glänzt in der Rolle des liebevollen Vaters und Emily Watson macht überzeugend eine erstaunliche und berührende Veränderung durch, wenn sie sich von der schroffen, ewig fluchenden Pflegemutter in eine warmherzige Gefährtin der Heldin verwandelt. Doch den Film trägt Sophie Nélisse in der Titelrolle. Jede Phase von Liesels Entwicklung von einem kindlichen Mädchen zu einer selbstbewussten jungen Frau spielt sie nuanciert, intensiv und dabei völlig natürlich. Wie aus einem Guss wirkt DIE BÜCHERDIEBIN schließlich auch durch die düsteren Stimmungen der großen Kinobilder von Florian Ballhaus und die erstaunlich europäisch klingende Filmmusik von John Williams.



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