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FBW-Bewertung: Ricky - Normal war gestern (2013)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Der zehnjährige Ricky lebt im kleinen Ort Herzfeld. Die Tischlerei seines Vaters verliert Aufträge. Die Eltern haben wenig Zeit für Ricky, der gerne im Familienbetrieb hilft. Micha, Rickys großer Bruder, interessiert sich wiederum nicht für die Tischlerei und die Sorgen und Nöte seiner Eltern. Er verbringt seine Zeit lieber mit seinen Freunden Dennis und Justin am Dorfteich. Ricky würde gerne dazu gehören, doch die älteren Jungs haben kein Interesse an dem nervigen Kleinen und drangsalieren ihn lieber. So ist Ricky oft allein, trainiert Kung-Fu mit seinem imaginären Freund, einem chinesischenMönchsnovizen, oder verbringt die Zeit mit seinem Schulfreund, einem leidenschaftlichen Vogelkundler.

Sein Alltag ändert sich, als die dreizehnjährige Alex mit ihrer großen Dogge LOCO ins Dorf zieht. Auch Micha interessiert sich für das Mädchen und bringt Ricky dazu, für ihn Alex' Vorlieben auszuspionieren. Dieser nimmt seinen Auftrag sehr ernst. Dafür erhält er Schutz vor den beiden Freunden. Und: Endlich wird Ricky von seinem Bruder wahrgenommen! Doch als sich zwischen Ricky und Alex eine Freundschaft entwickelt, gibt er Micha falsche Informationen.

Ricky, neugierigund clever, beobachtet seine Umwelt, hört den anderen zu, hat Ideen und findet Lösungen für Konflikte. Allerdings kommen die Probleme etwas unvorbereitet daher und die Lösungsansätze gehen über Allgemeinplätze nicht hinaus. Sie werden kommuniziert, aber nicht filmisch erzählt. (Spaghettiessen ist der Beginn der Freundschaft zwischen Alex und Ricky). Alex, ein pubertierendes Mädchen, hört in der Regel Musik über Kopfhörer und sitzt sehr oft nur dekorativ in der Landschaft. Rickys Freund kann die einzelnen Vogelarten exzellent beschreiben, wird dabei jedoch in ein Kostüm gesteckt, welches ihn augenscheinlich als Junge aus einer anderen Zeit darstellt. Der Jury erschloss sich nicht, warum kluge Schüler altmodisch und streberhaft dargestellt werden müssen.

Und dann gibt es da noch Micha, den großen coolen Bruder, Schulabbrecher, der ganz andere Zukunftswünsche als sein Vater hat. Somit ist permanenter Streit vorprogrammiert. Micha glaubt keine Chance zu haben, das Bild seines Vaters von ihm zu ändern: Beide begegnen sich sprachlos. Micha will Alex? Aufmerksamkeit, aber so cool er ist, schickt er seinen kleinen Bruder, um deren Vorlieben zu erkunden.

Rickys Geschichte ist eine originäre Geschichte, dessen episodenhafte Struktur einem überzeugenden dramaturgischen Gesamtkonzept entgegensteht und den Film an manchen Stellen oberflächlich wirken lässt. Hervorzuheben ist jedoch vor allem die darstellerische Leistung des jungen Protagonisten Ricky(Rafael Kaul), der überzeugend und glaubwürdig spielt. Auch die Figur der Mutter ist wunderbar gespielt, realistisch und sparsam. Die Kamera zeigt die alltäglichen Probleme junger Menschen zumeist auf Augenhöhe. Es gelingen so wunderbare Bilder und Metaphern wie z.B. das Baumhaus, der Kung-Fu-Lehrer, das Totensegel oder die Verfolgungsjagd durch die älteren Jungs. Eine starke Szene auch, als Ricky einen toten Vogel findet und diesem gemeinsam mit seinem Freund zu einem letzten Flug verhilft. Mittels Papiersegel und Kerze, ein wunderbares Bild der beleuchtete Flugkörper am Abendhimmel.Im Genre Kinderfilm bietet RICKY immer wieder trotz des Abenteuers auch Szenen der Entspannung, ohne seinen Rhythmus zu verlieren. Den Ausschlag für das Prädikat gab vor allen Dingen die realistische Darstellung der Alltags-Situation einer Familie, deren berufliche Basis existentiell bedroht ist,sowie die Tatsache, dass der Film dem jungen Publikum Wege des Miteinanders aufzuzeigen vermag.



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