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FBW-Bewertung: Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit (2013)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Als Angestellter der Londoner Stadtverwaltung muss sich John May um die Beisetzung einsam verstorbener Menschen kümmern. Mit großem Mitgefühl und überzeugender Menschlichkeit nimmt er seine Aufgabe wahr. Dazu gehört auch, noch mögliche Verwandte und Freunde des Toten aufzuspüren, um diese zu informieren und auch zum Begräbnis einzuladen. So sucht er in den Wohnungen der Toten nach Hinweisen und nutzt seine Kontakte zu Sozialstellen und anderen Einrichtungen. Würdevoll sind die von ihm arrangierten Trauerfeiern, dessen einziger Begleiter meistens er selbst nur ist, wobei er dem Geistlichen auch noch den Text der Trauerrede verfasst.

Die akribische, ja penible Art, wie er seinen Beruf ausübt, findet sich auch im eigenbrötlerischen Privatleben des einsamen Junggesellen wieder. Fast hat man den Eindruck, dass er ?seine Toten? auch in seine Freizeit mitnimmt. In ein großes Album klebt er täglich Fotos von ihnen ein, die er dadurch in eine Art von Familie der besonderen Art verwandelt.

In der von Wirtschaftlichkeit geprägten Welt des Vorgesetzten von Mr. May haben Sentimentalitäten und Menschlichkeit nichts zu suchen: tot ist tot und großer zeitlicher Aufwand für einsam Verstorbene ist nicht angebracht. So wird John May?s Stelle von einem Tag auf den anderen gestrichen und er selbst entlassen, versorgt mit der freundlichen Empfehlung, sich doch einen neuen Job bei den Lebenden zu suchen. Sein letzter Fall ging Mr. May jedoch auf besondere Weise nahe und so wird seine unermüdliche Suche nach Freunden oder Hinterbliebenen von Billy Stoke auch zu seiner ganzpersönlichen Reise in eine Freiheit der besonderen Art.

Ein wunderbares Drehbuch war Grundlage für die Gestaltung eindrucksvoller Szenen, welche mit sparsamen, aber zugleich stimmigen Dialogen auskommen und dem Grundtenor der Inszenierungskunst von Uberto Pasolini entsprechen. Die Wahl vonEddie Marsan für die Titelfigur ist ein absoluter Glücksgriff. Auf höchst eindrucksvolle Weise verkörpert er den leisen, bescheidenen, korrekten Menschenfreund, dem man glaubhaft sein soziales Engagement und seinen Einsatz für die Bewahrung der Würde ?seiner? Toten abnimmt. Eine sehr subtile Kamera beobachtet liebevoll viele Details, besonders auch beim Blick in die verlassenen Wohnungen der Verstorbenen, ohne voyeuristisch zu sein. Ein Lob gilt dabei auch dem Szenenbild, der Ausstattung und den Kostümbildnern. Das schöne Musikkonzept unterstreicht noch die liebevolle Grundstimmung dieses Filmjuwels, dessen berührende Geschichte dem Zuschauer auch emotionalen Zugang gewährt.



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