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FBW-Bewertung: Verfehlung (2014)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Nicht, dass hier ein gesellschaftlich relevantes Thema unserer Zeit behandelt wird, macht VERFEHLUNG zu einem sehenswerten und wichtigen Film, sondern viel entscheidender ist, dass Gerd Schneider mit seinem Drehbuch und seiner Regie eine angemessene undüberzeugende Form dafür gefunden hat. Erzählt wird aus dem Inneren des Systems heraus: Der Protagonist Jakob ist ein Seelsorger, der wie ein idealer Vertreter der katholischen Kirche dargestellt wird. Er bemüht sich in jeder Situation, das moralisch Richtige zu tun, ist offensichtlich tief gläubig, dabei nicht dogmatisch, sondern einfühlsam und fürsorglich den ihm anvertrauten Häftlingen in einem Gefängnis gegenüber. Seine Integrität wird dadurch hart geprüft, dass einer seiner besten und ältesten Freunde verdächtigt wird, sich an einem Kind vergangen zu haben. Schneider zeigt eindrucksvoll, wie Jakob zuerst solidarisch zu seinem Freund steht, dann bei ihm die Zweifel wachsen und wie erschüttert er ist, als dieser ihm seine Schuld beichtet. Und langsam wird ihm klar, wie taktisch die katholische Kirche mit dieser Verfehlung umgeht. Oliver, ebenfalls ein langjähriger Freund der beiden, ist ein ranghoher Vertreter des Bistums und nutzt die Macht der Kirche, damit der Fall nicht vor Gericht kommt und kirchenintern geregelt wird. Jakob ist moralisch empört darüber und es wird immer deutlicher, dass ihm nur ein drastischer Schritt übrig bleibt, mit dem er seine eigeneExistenz opfert, um gerecht zu handeln. Schneider erzählt fast ausschließlich aus der Perspektive von Jakob. So ist der Zuschauer immer auf dessen Informationsstand und kann seine Zweifel, Empörung und Entscheidungen gut nachempfinden. Dabei wird die Geschichte so klar und spannungsreich erzählt wie bei einem guten Kriminalfilm, aber dadurch, dass die Bezüge zu realen, aktuellen Fällen so augenfällig sind, bekommt der Film ein ganz anderes Gewicht. Es kommt dem Film sehr zu nutzen, dass Schneider selber Theologie studierte und sich auf das Priesteramt vorbereitet hat, denn die Hierarchie und Machtstruktur des Systems werden hier so komplex und authentisch dargestellt wie es nur ein Insider kann. Und durch diese Innensicht wird die Kirche immer an ihren eigenen Maßstäben gemessen. Diese werden durch Jakob verkörpert und Sebastian Blomberg spielt ihn mit einer großen inneren Stärke und Verletzlichkeit, durch die der Film viel von seiner emotionellen Kraft und Intensität gewinnt.



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