oder

FBW-Bewertung: Willkommen auf Deutsch (2014)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Zwei kleine Gemeinden im nördlichen Niedersachsen stehen im Mittelpunkt dieser Dokumentation über die brisante Thematik Deutschland als Asylland für Flüchtlinge aus aller Welt. Beide Dörfer, Appel und Tespe, liegen im Landkreis Harburg, stehen aber stellvertretend für viele Gemeinden in Deutschland, die sich mit der Frage auseinander setzen müssen, wie viele Asylanten die Dorfgemeinschaft aufnehmen kann, bzw. nach der ?sozialen Verträglichkeit? von größeren Gruppen von Asylanten im dörflichen Umfeld. Da sind auf der einen Seite die Bemühungen der zuständigen Behörden, die Asylanten halbwegs gerecht auf die Gemeinden zu verteilen, zum anderen die Probleme in den dörflichen Regionen, wenn, wie im Fall Appel, das nur rund 400 Einwohner hat, plötzlich 53 Männer aus einer der vielen Kriegsregionen dieser Erde untergebracht werden sollen. Der Film zeigt sehr fair die unterschiedlichen Argumente auf, die sowohl die Behörden mit ihrer Sorge um die halbwegs menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge hegen als auch Ängste der Dorfbewohner bei der Vorstellung, dass auf einmal eine sehr große Gruppe von Männern aus der Fremde im Dorf Zuflucht finden soll. Ohnehin ist es ein Verdienst von WILLKOMMEN AUF DEUTSCH dass hier keine Urteile gefällt werden, dass das Für und Wider der Asylpolitik abgewogen wird und mit Hilfe des Schicksals einzelner Personen und Familien aufgezeigt wird, was Asyl bedeuten kann und wie viel dabei oft durch das Raster fällt.
In Tespe haben eine große tschetschenische Familie und Asylanten aus Somalia und Pakistan Unterkunft erhalten, wobei die tschetschenische Familie, eine Mutter und sechs Kinder, ständig von der Ausweisung bedroht wird, die wie ein Damoklesschwert über ihr hängt. Aber hier fanden sich Bürger, denen das Schicksal der Flüchtlinge nicht gleichgültig war und sich dafür einsetzten, dass diese Familie auf Dauer bleiben darf. Doch der Film zeigt auch den langen Weg innerhalb der Bürokratie, die oft genug als unüberwindbare Hindernisse zwischen dem ersten Asyl und der dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung steht. In Appel schließlich siegt die Bürgerinitiative gegen die Unterbringung der 53 Männer in einem ehemaligen Altenheim. Dafür finden elf junge Männer aus dem Balkan in einem Gasthof eine Unterkunft ? eine Lösung, die auch zeigt, dass es nicht immer an Fremdenhass und allgemeiner Ablehnung liegen muss, wennAsylanten nicht in großer Zahl untergebracht werden. Oft sind es kleinere Hürden, die sich überwinden lassen.
Trotz einiger Längen ? man könnte gut und gerne einige der Szenen mit diskutierenden Bürgern kürzen - ist die Dokumentation über dieses aktuelle und wichtige Thema ein vielseitiger Beitrag zur alltäglichen Diskussion über das WILLKOMMEN AUF DEUTSCH und zu dem oft geäußerten Wunsch, das Asylrecht zu überarbeiten und in mancher Hinsicht unter dem Aspekt ?Im Zweifel für den Angeklagten? zu verändern ? wie der Fall des Ehepaars aus Pakistan zeigt, das verfolgt wurde, weil der muslimische Mann eine Christin geheiratet hat, oder im Fall der tschetschenischen Familie, die sich tapfer dagegen wehrt, dass die älteste Tochter, die zwischenzeitlich ihre jüngeren Bruder bis zur Selbstaufgabe versorgt hat, zurück nach Polen geschickt wird, um dort weit von der Familie Asyl zu beantragen. Wie gut, dass es aber immer wieder auch den ?kleinen Dienstweg? gibt und Bürger, die helfend eingreifen ? auch wenn dadurch die Probleme nicht gelöst, aber wenigstens, wie in diesem Film, thematisiert werden.




Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.