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FBW-Bewertung: Raum (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Mit Grausen erinnern wir uns an den Fall Fritzl, der vor einigen Jahren nicht nurÖsterreich, sondern die ganze Welt erschütterte. Über viele Jahre hatte der Mann seine eigenen Tochter in einen Kellerraum eingesperrt und sich vielfach an ihr vergangen, insgesamt sieben Kinder hatte die junge Frau geboren (von denen vier überlebten), bis das Martyrium ein Ende hatte. Emma Donaghue hat in ihrem Roman ?Room? diesen und andere Fälle aufgegriffen und zu einem beeindruckenden Stück Literatur geformt, was wiederum als Grundlage für Lenny Abrahamsons nicht minder eindrucksvolles Drama diente, das in den USA bereits für Furore sorgte.

Bereits sieben Jahren dauert die Gefangenschaft von Joy (Brie Larson) an, die als Siebzehnjährige von ihrem Peiniger entführt wurde (hier erinnert der Film eher an den ebenfalls in Österreich angesiedelten realen Fall der Natascha Kampusch). Vor fünf Jahren hat sie einen Sohn geboren, Jack (beeindruckend: Jacob Tremblay), der nichts von der Welt kennt außer dem ?Raum?, wie er ihnnennt: Keine Welt da draußen, keine Tiere, keine Menschen außer seiner Mutter und dem Entführer, den sie beide nur ?Old Nick? nennen. Wenn der Peiniger zu seinen gelegentlichen Besuchen kommt, muss das Kind in den Schrank, eine Beziehung gibt es nicht zwischen dem Jungen und seinem Vater, der nicht einmal weiß, wie alt sein Sohn ist.

Und so kann der Junge es kaum glauben, dass sich außerhalb dieser vier Wände noch etwas befindet, denn alles, was er davon kennt, ist der Blick in den Himmel (ein Oberlicht lässt etwas Tageslicht in den Raum) und in den Fernseher, von dem Jack aber glaubt, dass alles, was sich darin befindet, nicht ?real? ist. Wie soll er es auch besser wissen? Doch Joys Widerstand ist immer noch nicht gebrochen und so ersinnen die beiden eine List, die sie schließlich in die Freiheit führt.

Ein anderer Filmemacher hätte die tragische und hochspannende Geschichte hier wohl enden lassen, mit einem vermeintlichen Happy End. Nicht aber Lenny Abrahamson, für den der schmerzvolle Weg in die Freiheit, in die Welt, auf gleicher Ebene steht wie die Gefangenschaft selbst. Sein leises und dennoch unglaublich intensivesDrama ist voller Interesse und Zärtlichkeit für die beiden tapferen Protagonisten, die um ihren Platz in der Welt kämpfen. Unterstützt von einem exzellenten Drehbuch, zwei herausragend agierenden Hauptdarstellern, einer trotz der Enge der RAUMverhältnisse überaus flexiblen Kamera und einer überaus variablen und einfühlsamen Filmmusik gelingt ihm ein echtes, stets überraschendes und niemals auch nur eine Sekunde langweiliges Meisterwerk, das auf ganzer Linie begeistert und das durch unendlich viele Feinheiten und Nuancen überzeugt. Es ist ein Film, der seine Zuschauer ebenso wie seine Figuren ernst nimmt und der ihnen trotz einer harschen Ausgangssituation letztendlich eine große Freiheit, vielleicht die größte überhaupt - zugesteht: Die Freiheit, die Welt und diesen Film selbst entdecken zu können ? in aller Pracht und in jedem Detail. Ein Werk, das einem die Augen öffnet für die Kostbarkeiten des Lebens und dessen Beschränkungen.




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