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FBW-Bewertung: A War (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: So unspekulativ und nüchtern wie hier hat ein Regisseur nur selten vom Krieg erzählt. Tobias Lindholm inszeniert in einem quasi-dokumentarischen, an die Dogma-Filme erinnernden Stil mit in der Hand gehaltener Kamera und dem Verzicht auf jede melodramatische Zuspitzung in der Dramaturgie. Abgesehen von den Hauptdarstellern spielen ehemalige Soldaten und afghanische Flüchtlinge in den Kriegsszenen, die größtenteils in der Türkei gedreht wurden. Diese Sequenzen wirken genauso authentisch wie die in Dänemark an Originalschauplätzen inszenierten Aufnahmen. So gelingt es Lindholm, erstaunlich unmittelbar und intensiv das Lebensgefühl von Soldaten im Kriegseinsatz zu vermitteln. Er erzählt von einer kleinen Gruppe dänischer Soldaten, die in Afghanistan im Krieg gegen die Taliban in einem Außenposten im Einsatz sind. Der Protagonist Claus Michael ist ein Kompaniechef, der sich als souveräner Offizier und einfühlsam handelnder Vorgesetzter bewährt, als bei einer Patrouille einer der Soldaten durch eine Landmine getötet wird und einer seiner Kameraden danach einen Nervenzusammenbruch erleidet. In der ersten Hälfte des Films wird ohne jede Dämonisierung der Gegner oder Heroisierung der dänischen Soldaten davon erzählt, wie schwierig es ist, im Krieg sowohl militärisch wie auch moralisch richtige Entscheidungen zu treffen. Parallel dazu sind Sequenzen von der Familie des Protagonisten geschnitten. Abgesehen davon, dass sich bei dem älteren Sohn aggressive Verhaltensweisen entwickeln, ist das Leben seiner jungen Frau und der drei gemeinsamen Kindern alltäglich. Im Chaos einer Gefechtssituation muss Claus Michael eine Entscheidung treffen, durch die er zwar einem seiner schwer verwundeten Soldaten das Leben rettet, aber auch für den Tod von elf Zivilisten verantwortlich ist. Schnell wird er beschuldigt, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. Er wird suspendiert und zurück nach Dänemark geschickt, wo es zu einem Gerichtsprozess gegen ihn kommt, von dem in der zweiten Hälfte des Films erzählt wird. Es gelingt Lindholm deutlich zu machen, dass Claus Michael sich in einem unlösbaren Dilemma befunden hat. In dieser Situation gab es für ihn keine richtige Entscheidung: Er wurde mit den besten Intentionen zum Kriegsverbrecher. Dies wirkt auch deshalb so verstörend, weil Pilou Asbaek die Figur so natürlich und überzeugend als einen guten Menschen verkörpert. Deshalbwünscht man ihm beim Prozess, dass er freigesprochen wird, weiß aber gleichzeitig, dass dies ein Fehlurteil wäre. Lindholm erzählt zugleich einfach und komplex, realistisch und spannend, analytisch sezierend und mit viel Empathie. So hat A WAR mit Kriegsfilmen im herkömmlichen Sinne nicht vielgemein.



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