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FBW-Bewertung: Wir sind Juden aus Breslau (2016)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: 14 Menschen haben Karin Kaper und Dirk Szuszies für ihren Film WIR SIND JUDEN AUS BRESLAU vor der Kamera versammelt, unter ihnen auch bekannte Namen wie den im Sommer verstorbenen Literaturwissenschaftler und Historiker Fritz Stern und die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch, eine der letzten Überlebenden des berüchtigten Mädchenorchesters im KZAuschwitz. Was diese Menschen eint, ist nicht nur ihr hohes Alter, sondern auch die Tatsache, die dem Film seinen Titel gab. Allesamt sind sie Juden aus Breslau, der ehemals drittgrößten jüdischen Gemeinde des Deutschen Reiches und alle haben sie während der Zeit des Dritten Reiches unfassbaresLeid erlebt, von dem sie nun als einige der letzten Zeitzeugen dieses finstersten Kapitels deutscher und europäischer Geschichte vor der Kamera erzählen. Einige von ihnen, die nun in alle Welt verstreut sind, nehmen sogar die Mühen auf sich, zu einem deutsch-polnischen Jugendtreffen in ihre frühere Heimat zu reisen, um dort höchstpersönlich mit den Teilnehmern zu sprechen und aus ihrem Leben zu berichten. Und gerade diese Szenen, die die Begegnungen von Jung und Alt zeigen, gehören zu jenen Momenten, die nicht nur die Teilnehmer dieser Gespräche, sondern auch die Zuschauer emotional stark bewegen.

Entstanden ist der Film im Rahmen des Programms von Wroc?aw (ehemals Breslau) zur Kulturhauptstadt Europas 2016, einen Titel, den die Stadt in diesem Jahr gemeinsam mit San Sebastian innehatte. Im Verlaufe des Films zeigt sich aber schnell, dass WIR SIND JUDEN AUS BRESLAU weitaus mehr ist als eine reine Projektdokumentation anlässlich des kulturellen Großereignisses: Hier treffen individuelle Lebenswege auf Stadt-, Welt- und Zeitgeschichte, auf gelungene Weise verknüpft der Film das Gestern mit der Gegenwart und wagt sogar einen Ausblick auf die Zukunft, indem die gemeinsame Identität und der europäische Gedanke betont werden - gerade in unruhigen Zeiten wie diesen ein wichtiges Statement für Weltoffenheit, Toleranz und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte.

Insgesamt gelingt es Karin Kaper und Dirks Szuszies aufüberzeugende Weise, die Vielzahl an Zeitzeugen und Themen und den Gang durch die Jahrzehnte zu einem sehenswerten und fesselnden Zeitdokument zusammenzufügen. Nur in einigen wenigen Szenen sind kleine Rauheiten spürbar, die aber insgesamt den guten und überzeugenden Eindruck kaum mindern können.

Nach Ansicht der Jury stellt WIR SIND JUDEN AUS BRESLAU eine wichtige Erinnerungsarbeit dar, die den Blick eröffnet auf individuelle Lebensläufe, in denen sich persönliches Erleben und die große Weltgeschichte widerspiegeln.




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