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Fifty Shades of Grey
Fifty Shades of Grey
© Universal Pictures International Germany

Berlinale-Tagebuch - Tag 7

"Fifty Shades" stiehlt die Show (nicht ganz)

Am "Zoo"-Palast heute große Aufregung - der Erotik-Aufreger "Fifty Shades of Grey" feiert heute Deutschland-Premiere auf der Berlinale. "Mr Grey will see you now." Und seit fünf Uhr morgens campieren Fans am Roten Teppich, um einen Blick auf die Hauptdarsteller Dakota Johnson und Jamie Dornan zu werfen. Beginn der Vorstellung: 21.30 Uhr...auch bei der Pressevorführung schon eine Stunde vorher lange Schlangen im Cinestar, obwohl es schon am Vormittag eine "geheime" Vorvor-Uraufführung gegeben hatte. "Das Schlangestehen hat hier auch schon was vom Room of Pain", witzelt Katja Weber von "radio eins".

Nachdem es gestern etwas gemütlicher mit nur einem echten Wettbewerbsfilm zugegangen war, musste die Jury heute wieder richtig ran: Drei Produktionen aus Rumänien, den Niederlanden und China standen auf der cineastischen Menükarte.

Der Tag startete mit einem äußerst ungewöhnlichen Beitrag aus Rumänien. Radu Jude's "Aferim!" ist ein im Jahre 1835 in Osteuropa spielender Balkan-Western in Schwarzweiß. Der Gendarm Costandin und sein Sohn reiten durch die steinige Landschaft der Wallachei. Sie suchen einen "Zigeunersklaven", der seinem Besitzer entlaufen ist und zudem eine Affäre mit dessen Frau gehabt haben soll. Das Besondere an diesem Film ist der Gegensatz zwischen dem auf alten Dokumenten und Liedern beruhendem historischen Setting und den ruppigen Menschen, welche diese Szenerie bevölkern. Der desillusionierte Costandin hat für jede Situation einen passenden lakonischen Spruch parat. Dies äußert sich in einen kaum abreißen wollenden Redeschwall, der überwiegend aus derben Flüchen und Beschimpfungen besteht. Damit passt der Gendarm in eine Welt, in der selbst ein Mann der Kirche voller fremdenfeindlicher und rassistischer Vorurteile steckt. Nur Constantins Sohn sieht sich das wüste Treiben um ihn herum mit einem Blick an, der vermuetn lässt, dass sich dieser junge und noch unverdorbene Mann hier im falschen Film wähnt. "Probleme der Vergangenheit, Mentalitäten und Verhaltensweisen werden in die Gegenwart weitergereicht", so Regisseur Jude auf der Pressekonferenz. Ihm sei es darum gegangen, die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu zeigen.

Wesentlich nackiger als in dem dann doch züchtigen - so ist schon zu lesen - "Fifty Shades of Grey" ging es mittags auf der Leinwand im Berlinale-Palast zu: Peter Greenaway lässt seine beiden Hauptdarsteller Elmar Bäck und Luis Alberti in der Komödie "Eisenstein in Guanajuato" nicht nur ihre Körper mehr als nur minutenlang wie Gott sie schuf über die Leinwand turnen, sondern zeigt auch eine ausgiebige anale Sexszene (mit einem speziellen Höhepunkt). "Es war so viel Nacktheit in diesem Film, dass man sich irgendwann dran gewöhnt hat. Man muss das überwinden", sagte Hauptdarsteller Bäck auf der Pressekonferenz.

Regisseur Greenaway war mit seinen beiden Hauptdarstellern erschienen und zeigte sich bester Laune. Vielleicht hatte er den freundlichen Applaus am Ende der Vorstellung seines Werkes registriert (und das doch sichtliche Leeren des Saales während des Films nicht). Mehrfach benutzt er das "F-Wort" während seiner Ausführungen: "Tschuldigung für das Wort. Aber es sind so viele von Ihnen hier - eine Menge Leute müssen gefickt haben, damit es dazu kommen konnte." Eisenstein sei die Vaterfigur des modernen Kinos und es sei Zeit gewesen, ihm einen Film zu widmen, so der kreuzfidele 72-Jährige. "Ich habe ihn mein Leben lang studiert, und nun war es Zeit, ihn zu feiern." Prompt kündigt der britische Regisseur einen weiteren Film über den russischen Stummfilmpionier an.

Hier finden Sie unsere Kritik zu "Eisenstein in Guanajuato"

Am Nachmittag schließlich der dritte Streich: Der vor Ideen überbordende "Yi Bu Zhi Yao" ("Gone with the Bullets"), der sich im Malkasten der Historie und der Folklore bedient. Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Jiang Wen nimmt ein in den zehner Jahren des vorigen Jahrhunderts in Shanghai verübtes Verbrechen und dessen mediale Ausschlachtung, die auch zum ersten chinesischen Kinofilm geführt haben soll, als Ausgangspunkt für ein farbenprächtiges und anspielungsreiches Drama. Hier gab es höflichen Applaus.

Hier finden Sie unsere Kritik zu "Gone with the Bullets"

Mann der Berlinale ist indes James Franco - seine Omnipräsenz bereits auf den vorangegangenen Filmfestspielen ist inzwischen für einen running gag gut. Allein bei der diesjährigen Berlinale ist er in drei Filmen zu sehen, zwei davon laufen im Wettbewerb. Den besten Film mit dem 36-Jährigen konnte man aber in der Panorama-Sektion sehen. Hier läuft "I Am Michael" von Justin Kelly, in dem Franco einen charmanten Schwulenaktivisten spielt.

Die Geschichte in "I am Michael" ist kaum zu glauben, basiert jedoch auf dem wahren Vorbild von Michael Glatze, der vom Homosexuellenaktivisten zum Pastor wurde, der Homosexualität als schädlich und sündhaft ablehnt - eine Veränderung, die schwer nachzuvollziehen ist. Ein Höhepunkt sind die Szenen, in denen Zachary Quinto zu sehen ist. Mit James Franco ist er eines der schönsten und überzeugendsten homosexuellen Paare der letzten Kinojahre. Sie bringen die enge Verbundenheit und große Zuneigung zwischen ihnen mühelos zum Ausdruck.

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