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Cocktail für eine Leiche mit Farley Granger, James...Dall
Cocktail für eine Leiche mit Farley Granger, James Stewart und John Dall
© Universal Pictures

TV-Tips für Sonntag (3.7.): Alfred Hitchcock lädt zu einer makaberen Party

3sat zeigt "Cocktail für eine Leiche"

Gesucht wird am Sonntagabend der EM-Halbfinalgegner der deutschen Mannschaft zur besten Sendezeit im ZDF. Zugleich bemüht sich 3sat mit einem Hitchcock-Doppel um Zuschauer. Insbesondere "Cocktail für eine Leiche" im Spätprogramm lohnt das Umschalten.

"Cocktail für eine Leiche", 3sat, 22:10 Uhr
Zwei Studenten (John Dall und Farley Granger) erdrosseln ihren Kommilitonen, verstecken seine Leiche in einer Truhe in ihrem Appartement, in das sie für den Abend Freunde und Familie eingeladen haben, um den "perfekten Mord" abzurunden.

Alfred Hitchcock hat während seiner gesamten Karriere die Herausforderung gesucht, sei es in der Nutzung technischer Mittel oder in dramaturgischer Hinsicht. Bei diesem Kriminalfilm von 1948 nahm er beides gleichzeitig in Angriff: Dramaturgisch beschränkte er sich - wie in "Lifeboat" oder "Rear Window" ("Das Fenster zum Hof") - auf einen Handlungsort; technisch wollte er ein cinematisches Theaterstück auf die Leinwand bringen, die Illusion erwecken, dass die Zuschauer ein Stück in Echtzeit sehen. Zugleich drehte der Regisseur erstmals in Farbe und auf eigene Rechnung.

Nach rund einem Jahrzehnt war der Vertrag des Engländers mit dem Hollywood-Produzenten David O. Selznick ausgelaufen. Die stürmische Zusammenarbeit zweier selbstbewusster und sturköpfiger Männer war für Hitchcock oft frustrierend gewesen. Nun wollte er niemandem mehr Rechenschaft ablegen und gründete zusammen mit dem Medienunternehmer Sidney Bernstein die Produktionsgesellschaft Transatlantic Pictures. Als erstes Projekt nahm man die Verfilmung des Theaterstücks "Rope" (Seil) des Engländers Patrick Hamilton aus dem Jahr 1929 in Angriff.

Hamilton hatte mit seinem Stück den wahren Vorfall des Mordes eines 14-Jährigen durch zwei 18 und 19 Jahre alte Studentan an der University of Chicago im Jahr 1924 dramatisiert. Die Studenten betrachteten Mord als eine Kunstform, der sie Gestalt verleihen wollten. Dass beide homosexuell waren, hatte die Presse geschildert und war dem Publikum selbst zwanzig Jahre später noch präsent. Die Filmversion durfte wegen der Zensurvorschriften Homosexualität nicht thematisieren, so dass das Drehbuch dies nur andeutete - aber jeder wusste, was gemeint war. So lehnte Cary Grant die Hauptrolle mit Hinweis auf die homosexuellen Bezüge ab, so dass Hitchcock statt dessen erstmals mit James Stewart arbeitete. Für die Rolle der mörderischen Studenten engagierte man mit John Dall und Farley Granger zwei homosexuelle Schauspieler.

Um die Illusion eines Echtzeit-Films aufrecht zu erhalten, beschränkte Hitchcock Schnitte auf wenige Szenen und ließ in den längstmöglichen Einstellungen - eine Filmspule konnte zehn Minuten aufnehmen - drehen. Die Schnitte "versteckte" er, indem er zum Beispiel am Ende einer Spule einen Schauspieler vor die Kamera treten ließ, um diese abzudunkeln und dann an der Stelle weiterzufilmen.

Das ganze Vorgehen machte ein fehlerfreies Agieren aller Beteiligten notwendig: Jeder musste zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer vorbestimmten Stelle stehen und die Dialoge wie auf einer Theaterbühne fehlerfrei aufsagen, während die große Technicolor-Kamera durch die Kulisse fuhr und Bühnenarbeiter permanent beschäftigt waren, Requisiten und Wände aus dem Weg zu räumen und dann wieder zurückzustellen. In der Vorbereitung ließ Alfred jede Szene wie bei einem Theaterstück proben. Im Hintergrund, das den Sonnenuntergang New Yorks zeigt, musste derweil das Licht verändert werden und künstliche, aus Glasgespinsten gefertigte Wolken über den Horizont verschoben wurden.

Ob dieser technische Aufwand nötig war, hat Hitchcock im Nachhinein selbst in Frage gestellt: Indem er weitgehend auf Schnitte verzichtete, beraubte er sich eines seiner mächtigsten filmischen Instrumente, der Montage. Und ob die Zuschauer wirklich so darauf achteten, dass hier eine einzige Einstellung imitiert werden sollte - auch wenn die Kritiker das thematisierten -, bleibt dahin gestellt. Auf jeden Fall floppte der spannende und technisch ambitionierte Streifen trotz wohlwollender Besprechungen.

Eine portugiesische Zuschauerin meint: "Wenn ein ganzer Film in nur einem Raum spielt und uns trotzdem knapp 80 Minuten in Atem hält, dann muss er gut sein."



"Sweeney Todd", Pro7, 22:35 Uhr
Benjamin Barker alias Sweeney Todd (Johnny Depp) eröffnet einen Barbierladen in London und bildet zusammen mit seiner Mitmieterin Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter) eine Partnerschaft finsterer Machenschaften.

Die Worte "Musical" und "Tim Burton" kommen einem nicht unbedingt gleichzeitig in den Sinn - und auch viele Zuschauer, die 2007 sauer vorzeitig die Kinosäle verließen, hatten nicht damit gerechnet, dass der Filmemacher ("Edward Scissorhands") ihnen hier einen Streifen servierte, bei dem die Schauspieler - allesamt keine professionellen Sänger - ihre Stimme erheben würden. Paramount Pictures und Warner Brothers hatten in ihrer Werbekampagne die Tatsache, dass es sich hier um ein singendes, klingendes Spiel handelte, schlichtweg verschwiegen.

Offensichtlich waren die Filmstudios nervös, dass ein Musical beim Publikum auf Desinteresse stoßen würde. Kundige Besucher konnten dies durchaus wissen, denn das Werk basiert auf dem gleichnamigen Broadway-Musical "Sweeney Todd - The Demon Barber of Fleet Street" von Stephen Sondheim und Hugh Wheeler aus dem Jahr 1979. Burton war ein großer Fan des Stücks gewesen, das ihn mit seiner Mischung aus Musik und Makaberen ansprach. Schon in den Achtzigern plante er eine Kinoversion des Stoffes, dessen Hauptfigur der britischen Geschichtenreihe "The String of Pearls" von 1846 entstammt und schon mehrmals in Filmversionen zu sehen gewesen war, zuletzt 1970. Doch diese Pläne führten zu nichts.

Ein weiterer Regisseur, der das Musical gerne verfilmen wollte, war Sam Mendes ("Spectre"), der Anfang der nuller Jahre daran werkelte, die DreamWorks-Produktion dann aber zugunsten von "Jarhead" verließ. Das Studio bot Burton die Produktion an, der sich die Chance nicht entgegen ließ. Er brachte seine langjährigen Mitarbeiter Johnny Depp - ihre sechste Kollaboration - und Helena Bonham Carter - ihre fünfte Zusammenarbeit - mit und entschlackte zusammen mit Drehbuchautor John Logan ("Spectre") das dreistündige Musical. Einige Songs wurden ganz gestrichen, andere gekürzt und die Spielzeit so auf Kinosessel-freundlichere zwei Stunden reduziert.

Dass Tim keine professionellen Sänger engagierte und auch keine Lippensynchronisation einsetzte, war sicherlich ein Wagnis, das die beteiligten Studios, die sich zusammen getan hatten, um das Riskio des Investments von 50 Millionen Dollar zu reduzieren, ebenso beunruhigte wie die Tatsache, dass der Regisseur beim Darstellen diverser Grausamkeiten keinerlei Zurückhaltung walten ließ - das Filmblut floss literweise in den Londoner Pinewood Studios.

Doch immerhin: Die Manager ließen Burton freie Hand, und der überraschte bei seiner unterhaltsamen Musical-Premiere mit einem perfekt und meisterhaft in Szene gesetzten Werk, so dass man annehmen konnte, der Filmemacher habe so etwas schon häufig inszeniert. Die Schauspieler wiederum überraschten mit soliden gesanglichen Darbietungen.

"Sweeney Todd" erhielt fast durchweg gute Kritiken und wurde mit einem weltweiten Umsatz von 152 Millionen Dollar ein ordentlicher Erfolg an den Kinokassen. Dazu kam reichlich Anerkennung bei Industrie und Medien mit rund 100 Nominierungen. Francesca Lo Schiavo und Dante Ferretti erhielten einen "Oscar" für die Ausstattung; dazu waren Depp als Hauptdarsteller und Colleen Atwood für die Kostüme genannt.

Kritikerin Gail Pennington schrieb in der "St. Louis Post": "Der Film ist gleichermaßen verstörend wie fesselnd. Selbst Kenner des Broadway-Stücks werden die Geschichte mit einem frischen Blick sehen - es sei denn, sie halten sich die Augen zu."



"Verdacht", 3sat, 23:30 Uhr
Eine schüchterne, junge Erbin (Joan Fontaine) heiratet einen charmanten Gentleman (Cary Grant) und beginnt bald zu argwöhnen, dass dieser sie ermorden will.

Selten trieb die Einmischung der Studiomanager solche Blüten wie bei diesem Thriller von 1941. Alfred Hitchcock inszenierte die Adaption des Romans "Before the Fact" des englischen Autors Anthony Berkely Cox, den dieser 1932 unter den Pseudonym Francis Illes veröffentlicht hatte. Das Buch schilderte aus Sicht einer Frau, wie ihr neuer Gatte sie um des Erbes willen heiratet und schlussendlich ermordet.

Ob Hitchcock, wie er später behauptete, den Roman getreu verfilmen wollte, oder ob von Anfang an eine veränderte Fasssung geplant war, ist bis heute umstritten. Der Dreh- und Angelpunkt des Films, aus dem er seine Spannung bezieht, ist in jedem Fall der auch beim Publikum erzeugte Verdacht, eine positive Kinopersönlichkeit wie Cary Grant könne nicht das sein, was sie zu sein vorgab. Hitchcock und seine Drehbuchautoren türmen in ihrem leisen Streifen dazu geschickt Verdachtsmoment auf Verdachtsmoment und steigern meisterhaft die Spannung.

Zu viel Spannung für die Manager von RKO Pictures, die befanden, es sei unstatthaft, einen Star wie Cary Grant in ein schlechtes Licht zu rücken, und alle diese Verdachtsmomente herausschneiden ließen. Am Ende stand so ein sinnloser Film von gerade mal einer Stunde Länge. Hitchcock erreichte, dass dieser Unsinn rückgängig gemacht wurde. Zumal die Leinwandversion gegenüber der Romanvorlage sowieso schon abgemildert worden war - wegen der strengen Zensurvorgaben war die Untreue von Grant's Charakter zum Beispiel ebenso wenig ein Thema wie Sex insgesamt. Als Kompromiss blieb ein aufgesetzt wirkendes Happy Ending.

"Suspicion" (so der Originaltitel) wurde ein Erfolg bei Kritik wie Publikum. Joan Fontaine erhielt den Academy Award als "Beste Hauptdarstellerin" - im Jahr zuvor hatte sie bereits für Hitchcock's "Rebecca" im Rennen gelegen -, dazu waren der Film selbst und Komponist Franz Waxman nominiert.

Ein amerikanischer Zuschauer findet: "Das ist genau die Art von Geschichte, für die sich Alfred Hitchcock interessierte. Er ist die Hauptantriebskraft dieses Films, aber man muss auch den beiden Hauptdarstellern enormen Respekt zollen. Cary Grant war und ist dafür berühmt, unglaublich höfliche, charmante und sympathische Typen zu verkörpern. Nur Hitchcock hatte den Nerv, ihn nicht nur als windige Figur zu besetzen, sondern darüber hinaus zu suggerieren, dass er sogar morden könne. Grant ist nicht nur gut in diesem Streifen, sondern der Zug, ihn das Gegenteil seiner sonst üblichen Personalität zu verkörpern, macht sich brillant bezahlt. Gerade weil er so charmant, gut aussehend und charismatisch ist, lässt ihn das irgendwie noch gefährlicher wirken."



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