Kann man die Bildlichkeit der Worte in die Sprachlichkeit
der Bilder zur völligen Zufriedenheit transformieren? Nein - Literatur lässt
sich nur schwerlich “ver“filmen. Auch wenn die Schauspielerin Maria Schrader
("Aimée & Jaguar") in ihrem Regiedebüt die Irrungen und Wirrungen
von Liebe, Lust und Leiden, um Sex und
Sehnsüchte, Vertrauen und Verrat in intensive Close-Ups bannt, bleiben Fragen
offen; stellt frau/man sich doch den angejahrten Ari mit angenageltem
Playboy-Nimbus nicht derart dreckig, schmierig und egoistisch vor. Im Roman ist
alles ein wenig subtiler und sinnlicher. Die literarisch evozierten Fantasien
verrecken in fertigen Bildern, so schön sie auch sein mögen.
Ein revitalisierter letzter Tango in Jerusalem statt in
Paris? Dass die aparte Jara etwas durchgeknallt ist, wird schon in den
Anfangssequenzen klar; da rennt sie in panischer Angst zum Haus der Eltern,
meidet dabei den Bus, aus angst vor einem neuerlichen Anschlag. Diese ewige
Panik in bleiernen Jerusalemer Zeiten des nie enden wollenden Krieges zwischen
Palästinensern und Juden ist zum bitteren und mörderischen Alltag geworden. Von
Maria Schrader jedoch stets nur marginal in trügerischer Ruhe durch
aufkommenden Wind visualisiert.
Penetrant und unwiderstehlich widerlich der indifferente
Blick des a alten Mannes mit der todgeweihten Ehefrau im Hospital, der
anscheinend soviel gelangweilte Macht versendet, dass Jara sich auch nicht
schämt, alle nahe stehenden Menschen schwer zu verletzen. Nicht zuletzt ihren
viel zu (besonnenen) dargestellten Ehemann. Die Affäre zwischen ihm und ihr
bleibt bis zum bitteren Ende ein Kuriosum, und entlässt trotz
geheimnisvoll-fataler Geheimnisoffenbarungen den Betrachter mit dem feeling:
Wieso lässt sich ein so schönes und intelligentes Mädchen mit einem solchen
Arsch ein? Warum lässt sie sich ihm zuliebe auf eine Art Soft-Dreier mit Aris
fettem Freund ein? Ganz zu schweigen von seinen seltsamen Aktionen, sie im
Zimmer einzusperren, sie anzuschreien, sie zu malträtieren.
Keine Frage, formal ist Schraders Debüt nahezu perfekt. Sie drehte nicht mit
„Super“-Stars, dafür mit starken Schauspielern. Die Omnipräsenz des Ensembles
überhaupt positioniert sie par excellence. Und zwar so geschickt, dass man in
nahezu irrationale Emotionen mitleidet, bei diesen obsessiven Rätseln und obskuren
Trips in den seelischen Sexual-Hades.
Das Verhältnis zwischen Jara und Arie bleibt bis zum bitteren Ende trotz Jaras „Befreiung“ unverständlich, die
„Beziehung“ durchgängig grotesk. Sie wirft beispielsweise dem anscheinend
lebensmüden Macker vor, es ihr nicht genug zu danken, dass sie für ihn ihr
bisheriges geordnetes und angenehmes Dasein völlig über Bord warf. Dabei
bemerkt sie gar nicht, dass er sich noch nicht einmal ein bisschen bedanken
kann.
Eine Anti-Lovestory mit großen Konfusionen und kleinen Katastrophen eben,
wie der reale Hintergrund: In Israel und Bonn filmte Maria Schrader ihren extraordinären
Liebesreigen der sonderbaren Art nach dem Bestseller von Zeruya Shalev.
Fremd und vertraut sei Israel für sie gewesen, jenes Krisengebiet, in dem ein
Großteil der Produktion entstand: Während das Filmteam in Jerusalem, Tel Aviv
und Akka den lüsternen Trip zu sich selbst bebilderte, jagten sich mal eben wieder zwei Selbstmordattentäter in
die Luft, ein mordsmäßiger Background für einen leider zu sehr mit Machoismen
kokettierenden Film. Denn alles hat seine Grenzen, auch „Hörigkeit“….