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FBW-Bewertung: Herbert (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Als Boxer hatte Herbert einmal eine große Zeit und jetzt gilt er im Kiez für Viele immer noch als Legende. Seinen Unterhalt verdient er als Geldeintreiber und als Ausbilder von Talenten. Denn das Boxen ist immer noch sein Lebensinhalt und seine geliebte Welt. Eine Welt, die seine Ehe zerstört und ihm seine Tochter vollkommen entfremdet hat. Dass dieser Bulle von einem Mann nun auch körperliche Schwächen bei sich bemerken muss, trifft ihn wie ein Hammerschlag. Zumal diese nicht nur die bei Boxern natürlichen Verschleißerscheinungen sind, sondern eine ärztliche Diagnose bei ihm die heimtückische und tödliche MuskelkrankheitALS bescheinigt. Jetzt erst erkennt Herbert die wichtigen Dinge des Lebens und versucht, solange ihm noch die Kraft bleibt, das Rad der Zeit zurück zu drehen.
Ein hervorragendes Drehbuch war die Vorlage für einen außergewöhnlich dicht inszenierten Film nach klassisch dramaturgischem Konzept. Die Geschichte ist reich und vielschichtig: Herbert im Boxmilieu. Sein privates Schicksal mit Tochter und Enkelin und mit seiner Freundin. Das halb kriminelle Milieu mit Geldeintreibung, Kneipen und Kiez. Sein Traum, mit seinem Tätowier-Kumpel auf einer Harley die Route 66 zu fahren?. Das alles ist packend erzählt und emotional nicht überzogen. Die authentischen Dialoge beweisen eine präzise Recherche und eine genaue Kenntnis des Boxmilieus. Damit bestens verbunden ist das nicht weniger authentische Szenenbild, welches der Kamera und der Regie die Vorlage für wunderbare Milieubilder liefert. Die Besetzung ist in allen Belangen perfekt und bietet tolle Typen. An ihrer Spitze Peter Kurth mit einem schauspielerischen Kraftakt. Glaubhaft seine Darstellung des Verfalls, der Wut über den Verlustder Kontrolle über den Körper. Ein Lob gilt dabei auch Lina Wendel als Freundin und einzigem Halt für Herbert, so schwer dies auch für sie ist. Ebenso für Lena Lauzemis als Tochter, für die Herbert eigentlich nie ein Vater war.
Trotz der Krankheit ALS im Mittelpunkt ist HERBERT kein Krankheitsfilm. Vielmehr ein Genrefilm voller Wahrhaftigkeit und Leiblichkeit um einen Boxer in seinem letzten Kampf gegen eine heimtückische Krankheit und um die Chance, die wichtigsten Dinge in seinem Leben noch zu Ende bringen zu können. Für ein Spielfilm-Debüt ist dies eine höchst gelungene Arbeit. Ohne Fehl und Tadel sind Regie, Kamera, musikalische Begleitung und die Montage.



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