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FBW-Bewertung: Die Hände meiner Mutter (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Zunächst der Dank der Jury an das Filmteam, sich dieses wichtigen Themas filmisch angenähert zu haben: Missbrauch an Kindern. Eine Familie ist über Jahrzehnte im Netz von Scham und Schweigen gefangen. Öffentlichkeit will man nicht haben, denn auf entsetzliche Weise ist die Täterin die eigene Mutter, die man immer noch auf eine bestimmte Weise liebt und schützen möchte. In der dramaturgischen Klammer zwischen einem Familienfest und einer finalen Zusammenkunft zur Offenbarung aller gemeinsamen Geheimnisse reißt der Film Stück für Stück die Missbrauchsopfer aus der Verschwiegenheit. So wird auch der Vater noch zum Täter, indem er seinen kleinen Sohn Markus zum Mitschuldigen an der Tat seiner Mutter stempelt.

Was für ein ausgefeiltes, hervorragendes Drehbuch von Florian Eichinger liegt diesem Film zugrunde! Sorgfältig recherchiert im Thema und dramaturgisch den Spannungsbogen ohne Action und höchst sensibel stetig nach oben treibend. Dass die Mutter als Täterin nicht an den Pranger gestellt wird, ist eineweitere Stärke des Films.

Die in Luftbildern eingeblendeten Namen von Familienmitglieder dienen nicht als Kapiteleinteilung, sondern als Hinführung auf ein besonderes Augenmerk auf Täter und Opfer im Fortlauf der Handlung. Dies ist eine weitere besondere Qualität des Drehbuchs, das auf sehr sparsame Dialoge setzt und stattdessen vielfach nur Blicke sprechen lässt. Dies gelingt auch auf besondere Weise durch die hervorragende Besetzung und das packende Spiel der Protagonisten. Vor allem Andreas Döhler als Markus und Jessica Schwarz beweisen unter der sicheren Führung von Florian Eichinger ihre schauspielerische Klasse. Zudem gelingt dem Film ein außergewöhnlich gelungener filmischer Kunstgriff: Wie entsetzlich für die Augender Zuschauer wären die Bilder des Missbrauchs mit einem Kind gewesen. Alle entsprechenden Szenen, selbst die Reflektionen des jungen Markus (zum Beispiel mit dem Vater und in der Schule), jedoch mit dem erwachsenen Markus zu inszenieren, bricht dem Entsetzlichen die Spitze.

Ein Lob trifft auch die Auswahl und das Spiel der verschiedenen Therapeuten und Eheberater und die damit verbundene Ausstattung der Praxen? das Resultat einer perfekten Recherche! Eine sehr gute Kamera und die Arbeit der Montage gehören zu den weiteren handwerklichen Pluspunkten eines unter die Haut gehenden, in allen Belangen gelungenen und eminent wichtigen Filmwerkes.




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