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FBW-Bewertung: Morris aus Amerika (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung:
Morris Gentry ist 13 Jahre alt, leichtübergewichtig und lebt bei seinem alleinerziehenden Vater in Heidelberg. Trotz eines guten Verhältnisses zu Papa Curtis ist Morris einsam. Und wirklich scheint es, als ob Morris das einzige afro-amerikanische Kind in Heidelberg sei. Er vermisst Amerika, gute Musik und die US-amerikanische Großstadtkultur.

Dennoch unterscheidet sich Morris kaum von Jungen seines Alters. In seinen Träumen wäre er gerne ein tougher Rapper, wie sein Idol ?The Notorious B.I.G.? Dann aber lernt er die zwei Jahre ältere Katrin in einem Jugendzentrum kennen und mit einem Mal scheint er an seinem Leben in Deutschland wieder Spaß zu haben.

Die Jury fand großartig, wie Regisseur Chad Hartigan seine Hauptfigur Morris anhand der Menschen, mit denen er seine Zeit teilt, entwickelt. Da ist sein Vater, mit dem er einen eher freundschaftlichen Umgang pflegt und der vielleicht gerade darum noch nicht mitbekommen hat, dass sein Sohn langsam erwachsen wird. Daist auch Studentin Inka, bei der Morris Deutsch lernt und die auf ihn aufpasst und die mit ihrer großen, runden Brille manchmal wie seine Großmutter wirkt und natürlich ist da auch Katrin, die auf amerikanische Jungs und Basketball steht und die es faustdick hinter den Ohren zu haben scheint. MORRIS AUS AMERIKA ist immer ganz dicht an den Charakteren dran und lässt seine Zuschauer an Freud und Leid des kleinen Morris teilhaben.

Positivüberrascht zeigte sich die Jury auch von den schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller. Wirklich herausragend aber bewertete sie die Leistung des Morris-Darstellers Markees Christmas. In seiner ersten Filmrolle zeigt er sich so frei und gelöst, dass ihm die Jury von der ersten Sekunde an gerne folgen wollte.

Als Schwachpunkt empfand die Jury an MORRIS AUS AMERIKA einige Brüche und Ungereimtheiten im Script. So erscheint die Figur des Jugendzentrumleiters eher unglaubwürdig. Irrtiertend empfand die Jury die Altersangaben der Charaktere. Zwar ist das Alter für Morris und Katrin, mit 13 und 15 Jahren, themengerecht gesetzt, allerdings dürfte es, nach Ansicht der Jury, in den Bereich kindlicher Fiktion gehören, wenn beide Zugang zu nächtlichen Veranstaltungen haben, auf denen sich fast ausschließlich Erwachsene befinden.

Dennoch bewertete die Jury MORRIS AUS AMERIKA als eine Coming-of-Age-Geschichte voller Gefühl, Witz und Ironie. Ein Film, der das Erwachsenwerden aus einer hierzulande ungewohnten Perspektive widerspiegelt, weil er klug mit dem Klischee vom hippen, schwarz-afrikanischen US-Amerikaner zu spielen versteht, der mit hippem Lifestyle für deutsche Jugendliche immer noch zum Vorbild avanciert. Chad Hartigans Film zeigt, dass sich auch ein afro-amerikanischer Teenager in Deutschland ziemlich missverstanden fühlen kann, wenn er nicht den gängigen Stereotypen entspricht.

MORRIS AUS AMERIKA ist ein handwerklich gut gemachter, unterhaltsamer Film, der mit seinen tollen Bildern und pulsierender Energie auch Eltern in seinen Bann ziehen kann. Nach ausgiebiger Diskussion hat die Jury beschlossen, dem Film das Prädikat besonders wertvoll zu verleihen.




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