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FBW-Bewertung: Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt (2017)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Sven Regener schreibt rückwärts. Drei Jahre nach ?Herr Lehmann?, seinem phänomenalen Einstieg in die literarische Welt im Jahre 2001, legte der Sänger von ?Element of Crime? seinen zweiten Roman ?Neue Vahr Süd? vor. Nach seiner Liebeserklärung an das hippe Kreuzberg im Schatten der Mauer, von Leander Haußmann kongenial in Szene gesetzt, schrieb er über Frank Lehmanns Vergangenheit in Bremen. Es folgten ?Kleiner Bruder? und 2013 der Roman ?Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt?, der an ?Herr Lehmann? anknüpft. Dieser spielt allerdings nur eine Nebenrolle, im Zentrum steht der spinnige Eigenbrötler und Künstler Schmidt, für den der Ku´damm in den 1980ern feindliches Gebiet war. Am Tag des Mauerfalls landet er in der ?Klapse?.


Der Film kommt zum 50. Geburtstag des legendären ?Magical Mytery Tour?-Albums der Beatles in die Kinos, und 20 Jahre nach dem Höhepunkt der Techno-Welle, in der DJs die Stars der Musikszene waren, die Pop- und Rockmusik zu eigenen Soundteppichen recycelten. Nächtelang feierten die Deutschen in Hallen und auf Dancefloors, unterstützt von synthetischen Drogen. Diesen Teil der Szene erwähnt der Film erst relativ spät. Damit nimmt er der Figur des Karl Schmidt in den Augen der Jury einen Teil der Fallhöhe. Schließlich soll er ja nach Drogen- und Alkoholentzug der Versuchung widerstehen.

Denn nur weil Karl Mitte der 1990er clean ist und in einer betreuten Einrichtung unter der Kontrolle von Sozialarbeitern steht, hat ihn sein alter Kumpel Ferdie als Busfahrer und Manager der Tournee der DJs des Labels?Bumm Bumm Records? angeheuert. Die Musik hat Ferdie und Raimund Schulte reich gemacht. In einem klapprigen Bus fahren die Plattenaufleger kreuz und quer durch die alte Bundesrepublik. Der Film führt in abgeranzte Viertel der Großstädte, in denen die glitzernden Tanzschuppen die Realitätsmüden erwarten.

Für Karl Schmidt ist es ein Trip, um sich aus der Umklammerung der Sozialarbeiter zu lösen, wieder Verantwortung zu lernen und zu einem selbstbestimmten Leben zurückzufinden. Zum Schluss besiegt er sogar seine paranoiden Ängste und fährt mühelos über den Ku´damm. Diesen Prozess, der eher beiläufig geschieht, bringt Hübner mit Körperhaltung und Gesten rüber. Seine Interpretation der Figur zählt unbestritten zu den Stärken des Films.

Arne Feldhusen, der sich in der Comedy-Szene einen Namen als Regisseur von STROMBERG, LADYKRACHER und DER TATORTREINIGER gemacht hat beschwört detailreich die Atmosphäre und Ästhetik jener Jahre. Man merkt den guten Schauspielern die Lust am Spielen an, die Dialoge atmen den lakonischen Humor Regners. Die Musik gibt den Rhythmus vor, doch stimmungsmäßig bleibt der Film, nach Ansicht der Jury, ohne wirkliche Höhen und Tiefen stetsauf der gleichen Ebene. Zudem verliert er sich nach gutem Beginn in einer Aneinanderreihung einzelner Episoden.

Die Jury erkennt jedoch die eindeutigen Stärken des unterhaltenden Films an und verleiht ihm daher das Prädikat ?wertvoll?.




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