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FBW-Bewertung: Berlin Rebel High School (2016)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Auf den ersten Blick führt der Titel in die Irre. Die 1973 gegründete Schule für Erwachsenenbildung (SFE) in Berlin hat sich längst etabliert. Ihr Abitur ist staatlich anerkannt. Sie entstand jedoch einst aus dem Wunsch von Schülern, im Zuge der Rebellion gegen die verkrusteten staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen in der alten Bundesrepublik das Schulsystem zu reformieren.
Geblieben ist an der SFE bis heute ein basisdemokratisches Modell. Noten werden nicht erteilt, damit können auch keine Zeugnisse geschrieben werden. Es gibt keinen Direktor, keine Angestellten oder Eltern, die für Essen, Ordnung und Sauberkeit sorgen. Die Schüler organisieren den Schulalltag selbst und bezahlen ihre Lehrer aus den Schulgebühren. Der Stundensatz ist gering, als Rentner müssen sie wahrscheinlich in die Grundsicherung. Trotzdem brennen die Lehrer, die nur ein Viertel ihrer verbeamteten Kollegen in Berlin verdienen, für ihre Arbeit und ihre Schüler.
Die alternative Schulform nimmt jene auf, die an Mobbing, Vorurteilen, hierarchischen Strukturen oder der eigenen Faulheit scheiterten. Und hier wird das Ideal gelebt, an dem wiederum das Bildungssystem in der Bundesrepublik scheitert. Jeder bekommt eine Chance, für das schulische Abschneiden ist die Herkunft irrelevant. Die jungen Erwachsenen lernen ohne Leistungsdruck. Das Ziel der Schule ist, den eigenen Willen und die Motivation der Schüler zu stärken, ihren Traum vom Abi zu erreichen.
Regisseur Alexander Kleider, selbst Absolvent der Schule, begleitet eine SFE-Klasseüber drei Jahre bis zum Abitur. Er begegnet den Schülerinnen und Schülern dabei auf Augenhöhe und kommt ihnen sehr nahe. Sie reflektieren offen ihr bisheriges Scheitern in der Schule, ihre Erwartungen und Ziele, ihre eigene Einstellung zum Lernen. Auch das Scheitern eines Schülers wird in dem Film als positive Erfahrung fürs weitere Leben dargestellt.
Im Laufe der Jahre ist die Freude am Lernen in ihnen wieder erwacht. Sie konnten ihren Schulabschluss unbeschwert von dem Druck in staatlichen Schulen, in denen jede Unterrichtsstunde in den Klassen 11 und 12 in die Abiturnote eingeht, was zu Stress führt und Versagensängste auslösen kann, erreichen. Diesen absoluten Stress spüren die Schüler der SFE hauptsächlich direkt vor den Prüfungen. Die engagierten Lehrer versuchen dabei alles, sie zu ermutigen. Es bewährt sich zudem der Zusammenhalt im Klassenverband.
Jeder Zuschauer kann sich während BERLIN REBEL HIGH SCHOOL an die eigene Schulzeit erinnern oder die Schule mit der Erfahrung der eigenen Kinder vergleichen. So regt das gelungene Porträt dieses erfolgreichen Alternativmodells auch zum Nachdenken über den Sinn von einigen Reformen der Abiturregularien in den 1970ern und die G-8-Reformen an.
Die Schule gibt jungen Menschen eine Chance, die meist unbewusst gegen das herkömmliche System rebellierten. Und sie erzieht sie zu Rebellen, die die ausgetretenen Pfade hinterfragen und nach Alternativen suchen werden.




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