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FBW-Bewertung: Wonder Wheel (2017)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Eine Art?Rad der Wunder?, so verspricht es der Titel, steht im Mittelpunkt des neuen Films von Woody Allen. Deutlich sichtbar ist das so benannte Riesenrad auf Coney Island in den 1950er Jahren so etwas wie das geheime Zentrum des Films. Immer wieder wird es in den Bildmittelpunkt gerückt oder dient als Hintergrundkulisse für die zwischenmenschlichen Tragikomödien, die sich hier abspielen.

Der Film beginnt mit einer Einstellung, die zunächst an ein Wimmelbild erinnert. Erst langsam schält sich aus diesem Durcheinander der Leiber und Menschen der Rettungsschwimmer Micky Rubin heraus, der in New York Theaterwissenschaften studiert und der von einer Karriere als Autor enorm tiefer und bedeutungsvoller Dramen träumt. Er fungiert fortan als eine Art Erzähler und nicht zuletzt auch als wesentlicher Faktor für die Tragödie, die sich durch sein Zutun entfaltet. Denn Micky hat eine Affäre mit der unglücklich verheirateten Ginny (Kate Winslet), die mit dem schroffen Ex-Alkoholiker Humpty (Jim Belushi) zusammenlebt, nachdem ihre notorische Untreue eine erste Ehe zum Scheitern brachte. Aus dieser Verbindung hat sie einen Sohn mit in die neue Beziehung eingebracht, der sich freilich als richtiger Teufelsbraten und notorischer Brandstifter erweist. Und dann taucht eines Tages Humptys eigentlich verstoßene Tochter Carolina (Juno Temple) auf, die mit einem Mafia-Gauner verheiratet war, vor dem sie sich nun auf der Flucht befindet. Klar, dass das Auftauchen die mühsam gefundenen Arrangements und Lügengebäude tüchtig ins Wanken bringen - zumal sich Micky in die Tochter seiner Geliebten verguckt - und die sich auch inihn ... In WONDER WHEEL, als mittlerweile 47. Werk des Regiegroßmeisters, begeisterte die Jury Vittorio Storaros exzellente Kameraarbeit, die die 1950er Jahre nicht in ein nostalgisch romantisierendes Licht taucht, sondern dem Zuschauer solch eine Frische und Buntheit jener Zeit vermittelt, dass man glaubt, man sei unmittelbar dabei.

Zudem erscheint es besonders bemerkenswert, wie diese Kamera den Bühnenraum der Wohnung von Humpty und Ginny immer wieder neu arrangiert und so den Eindruck des Kammerspielartigen immer wieder weitet. Nach Ansicht der Jury gelingt es dem Film, aufgrund der sehr guten Schauspielleistungen gut zu unterhalten. Dennoch konnte er, aufgrund der Vorhersehbarkeit der Geschichte, nicht restlos überzeugen. Vielleicht liegt es daran, dass Woody Allen, der mittlerweile fast jährlich ein neues Werk auf die Leinwand bringt, immer noch ein Filmemacher ist, von dem man etwas ganz Besonderes erwartet.

Das Theatralische spielt bei WONDER WHEEL eine zentrale Rolle - allein schon durch Micky Rubins Studienfach und seine Leidenschaft für alles Theatralisch-Dramatische. Dass auch Ginny mal eine Karriere als Darstellerin anstrebte, versteht sich dabei fast von selbst. Und genau daraus leitet sich auch ihr Hang zu Hysterie und gnadenlosem Overacting ab, der manchem Jurymitglied vielleicht ein wenig zu viel des Guten war - die Glaubwürdigkeit der Geschichte jedenfalls und damit auch die Identifikation mit den Hauptfiguren leidet so unter der exaltierten Wucht der mit viel Spiellaune agierenden Darstellerriege.

Jedoch haben die eindeutigen filmhandwerklichen Qualitäten die Jury überzeugt, und so zeichnet sie den neuen Film von Woody Allen mit dem Prädikat ?wertvoll? aus.




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