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FBW-Bewertung: Kindeswohl (2017)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Der britische Melodramatiker Richard Eyre verfilmte Ian McEwans Roman?Kindeswohl? sehr nah an der literarischen Vorlage mit einer hervorragenden Besetzung und einem stilsicheren Team.
Die Inszenierung bemüht sich um eine intensive Darstellung des oberen Mittelstandsmilieus in der englischen Metropole. Fiona Maye (Emma Thompson) nimmt als Richterin in London ihre Aufgabe sehr ernst: leidenschaftlich und konzentriert lebt sie für ihren Beruf, was einen privaten Preis hat. So steht ihre Ehe mit dem amerikanischen Professor Jack (Stanley Tucci) augenscheinlich vor dem Aus, was sie jedoch verdrängt.
Mitten in dieser persönlichen Krise hat die Richterin einen brisanten neuen Fall zu verhandeln. Der noch nicht volljährige, hoch intelligente 17-jährige Adam (Fionn Whitehead), hat Leukämie, weigert sich aber, eine Bluttransfusion in der Klinik anzunehmen, die sein Leben retten würde, da er und seine Eltern ZeugenJehovas sind. Vor dem Gesetz ist Adam noch ein Kind, so dass Fiona sich ein persönliches Bild macht und einen emotionalen Bezug zu Adam aufbaut. Sie entscheidet für das Kindeswohl, was ihn überleben lässt. Doch nun sucht Adam in der Richterin eine Bezugsperson, was sie von sich weist. Als Adam einen Rückfall hat, drohen die Ereignisse für alle Beteiligten zu entgleisen.
Richards Eyres geradezu klassisch inszeniertes Melodram ist handwerklich auf höchstem Niveau und vermittelt das tragische Geschehen mit bestechender Eleganz. Fast nebenbei bietet der Film eine präzise Milieubeschreibung über eine privilegierte Schicht und ihre mühsamen Gesellschaftsübungen. Im Zentrum aber steht die darstellerische Leistung der Schauspieler, allen vorwegEmma Thompson und Stanley Tucci.
Der Film verlässt sich weniger auf seinen geradlinigen Plot als auf die Kraft der Bilder, Gesten und Klänge. Existenzielle Probleme werden so stets emotional plausibel erzählt, auch wenn die Musik genretypisch auf große Gefühle setzt: Eyres bietet visuelles und auditives Erzählen auf beispielhaftem Niveau.KINDESWOHL ist reich und inspirierend vielschichtig.
Angesichts seiner deutlichen Stärken, seiner packenden Inszenierung und der außergewöhnlichen Besetzung bewertet die Jury den Film mit dem Prädikat ?besonders wertvoll?.



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