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FBW-Bewertung: 7 Tage in Entebbe (2018)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Hunderte Israelis verdanken Wilfried Böse ihr Leben. Der Deutsche gehörte zu einer Gruppe von sieben Terroristen, die 1976 eine Air France-Maschine auf dem Flug von Athen nach Tel Aviv kidnappten. Mit mehr als 200 Passagieren an Bord landete das Flugzeug in Entebbe, wo Diktator Idi Amin ihnen die Infrastruktur des Airports und Soldaten zur Verfügung stellte.
Als die palästinensischen Terroristen beginnen, die Passagiere nach ihrer Nationalität zu separieren und die Israelis in einen Extraraum bringen, bricht der Streit zwischen den Palästinensern und den beiden Deutschen einerseits als auch unter den beiden Mitgliedern der RAF offen aus. Brigitte Kuhlmann, vonSchuldgefühlen für die Verhaftung Ulrike Meinhofs geplagt, billigt diese Schritte, während Böse auf Grund der deutschen Geschichte opponiert. Seine Gewissensbisse führen schließlich dazu, dass er die Geiseln bei der Erstürmung des Flughafens durch israelische Truppen verschont.
Die Diskussionen innerhalb Israels Regierung um die richtige Reaktion auf die Entführung bilden den zweiten Erzählstrang des Films. Beide sind eng miteinander verwoben. Yitzchak Rabin und Schimon Peres liefern sich erbitterte verbale Duelle um die Frage, wie die Sicherheit des Staates kurz- und langfristig erreicht werden kann. Die Israelis stehen real und sinnbildlich mit demRücken zur Wand. Nicht nur mit diesen Disputen weist der Film bis in die Gegenwart. Der einzige Tote auf israelischer Seite bei der Befreiungsaktion war der Bruder des heutigen Ministerpräsidenten Netanjahu.
Trotz des bekannten Endes ist dem brasilianischen Regisseur José Padilha ein bis zur letzten Minute spannender Politthriller gelungen, dessen Fakten auf umfangreichen Recherchen und Gesprächen mit Zeitzeugen beruhen. Er erzählt völlig unaufgeregt von den dramatischen Ereignissen und der Angst der Passagiere und Besatzungsmitglieder. Die französischen Piloten und Bordingenieure werden dabei zu Helden und Sympathieträgern. Doch der Film erzählt auch von der Motivation der Palästinenser und der RAF-Mitglieder, ebenso wie von den Beweggründen der Israelis. Und letzten Endes von einem durchgeknallten Diktator, der gerne Weltpolitik machen will.
Niemals ergreift Padilha in seinem handwerklich exzellent umgesetzten Film Partei. Er verdichtet den Konflikt auf den inhaltlichen Kern und schafft es, das auf den ersten Blick didaktisch anmutende Konstrukt zu einem kraftvollen, lebendigen Gesamtwerk zu machen. So könnte es gewesen sein.
Ein besonders eindrucksvoller Kunstgriff gelingt ihm mit dem Einbau einer von donnernden Beats unterlegten Tanzperformance eines israelischen Ensembles, die in den Film einführt und später den Rhythmus der Szenen beim Einsatz zur Befreiung der Geiseln bestimmt. Der für die Tanzperformance verantwortliche Choreograph Ohad Naharin gilt als kritischer Beobachter seines Landes und seiner zunehmend radikalen Politik und setzt dies in seinen Werken um. Und der Film gibtder Performance den absolut passenden Rahmen.




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