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FBW-Bewertung: Berlin Excelsior (2017)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Im Stile des Direct Cinema nähern sich Erik Lemke und sein Kameramann, André Krummel, in ihrer Langzeitbeobachtung den Bewohnern des geschichtsträchtigen Wohnkomplexes Excelsior-Haus und dessen sozialer Struktur. Bei komplettem Verzicht auf Interviews sowie jeglicher Interaktion von Protagonisten mit der Kamera, ziehen sichLemke und Krummel ganz auf ihren Beobachterposten zurück und lassen ihre Protagonisten machen. Und so entfaltet sich eine fein gezeichnete Miniatur der Berliner Gesellschaft, ein spannendes Kaleidoskop von Menschen, die alle auf ihre Art für die Umsetzung ihrer individuellen Träume und Sehnsüchte kämpfen. Faszinierend wird der Film u.a. an den Momenten, in denen sich als Gemeinsamkeit der Träume und Sehnsüchte das Ziel herauskristallisiert, von anderen wahrgenommen zu werden, etwas zu bedeuten, im Gegenüber reflektiert zu werden. Sei es als Model, als Escort-Boy, als Heilerin, als Coach, als Fotograf: Die Protagonisten suchen nach Wegen, Aufmerksamkeit, auch Anerkennung im Gegenüber zu erwecken. Und so bringt der Filmemacher Erik Lemke seine Protagonisten denn auch konsequent zusammen und lässt sie mit anderen interagieren. Szenen, in denen jeder auf irgendeine Art den anderenzu therapieren sucht, etwa in der Konfrontation eines ADHS-Patienten mit einer Kartenlege-Autodidaktin, glänzen vor absurder Schönheit und entwickeln eine Dynamik, die einem Drehbuchautor vermutlich niemand durchgehen lassen würde. Der Blick auf diese Vielfalt an individuellen Lebensentwürfen verliert dabei niemals ein rührendes Maß an Zuneigung, das jedem Zuschauer seinen persönlichen Zugang ermöglicht.
Der starken Filmmontage ist es zu verdanken, dass aus einem solchen Reigen spannende dramaturgische Erzählbögen entstehen und sich Protagonisten formen, die komplex genug erscheinen, um nicht als dünne Scherenschnitte aus dem Film zu fallen. Zahlreiche mit Musik untermalte Montagesequenzen geben der dichten Erzählung zusätzlich Luft. BERLIN EXCELSIOR hat die Jury als lebhaftes und pointiertes Dokument deutschen Alltags nachhaltig beeindruckt.




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