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FBW-Bewertung: Die Goldfische (2018)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Gleich mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm ist Alireza Golafshan ein Volltreffer auf dem Gebiet der vielgescholtenen deutschen Filmkomödie gelungen. DIE GOLDFISCHE vermag in nahezu allen Belangen zu überzeugen ? und ganz besonders in der für integrative/inklusive Komödien heikelsten Frage nach der Tonalität. In DIEGOLDFISCHE wird niemand, ob Menschen mit Behinderung oder ohne, ob Homosexuelle, Kapitalisten oder Migranten, mit Samthandschuhen angefasst. Keine der treffend und vielschichtig gezeichneten Figuren wird in einen Schutzraum gestellt, mit niemandem wird besonders vorsichtig verfahren, sondern alle Figuren erfahren den gleichen Umgang und werden auf gleiche Weise innerhalb der komödiantischen Welt ernstgenommen. Die Figuren haben Witz, ohne Witzfiguren zu sein. Dieses Ergebnis erfreut natürlich besonders, da ? inklusiv eben ? Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen vor der Kameraagieren. Es ist dem Debütregisseur Alireza Golafshan hoch anzurechnen, dass etwa das Wagnis, einen vorrangig als Komödienschauspieler bekannten Akteur wie Axel Stein einen Autisten spielen zu lassen und ihn neben Luisa Wöllisch, einer Schauspielerin mit Down-Syndrom, zu inszenieren, vollends aufgegangen ist. Während sich Axel Stein enorm gut einfügt, ist Luisa Wöllischs Franzi die wohl klarste Figur des Films, die immer ganz genau weiß, was sie will.
Doch das herausragende Drehbuch hat noch mehr zu bieten als die im beschriebenen Sinne spannenden Figuren: eine ganze Reiheäußerst komischer Szenen, sehr pointiert geschriebene Dialoge und einen gewissen subversiven Touch der Grundhandlung, in der recht unverhohlen deftige Kritik am Sozialstaat geübt wird. Auch die gelungene Mischung zwischen Komik und einigen durchaus ernsten Momenten zeugt für ein hervorragendes Gespür in Buch und Inszenierung. Zu den schönsten Augenblicken etwa zählt, wie die zentrale und sehr turbulente Szene auf dem Jahrmarkt plötzlich mit absoluter Stille erzählt wird ? ein äußerst wirkungsvoller Bruch, der belegt, mit welcher Sicherheit hier die Klaviatur filmischer Atmosphäreund Tonalität gespielt wird.
Außer Luisa Wöllisch und Axel Stein müssen auch die restlichen Mitglieder des Ensembles positiv hervorgehoben werden, eine sehr prominente Schauspielerriege, die bis ins Detail Ton und Geist von Buch und Inszenierung verinnerlicht und umgesetzt hat. Ein wohltemperiertes hohes Erzähltempo, ein effektvoller Musikeinsatz und zahlreiche gute visuelle Einfälle machen das feine Unterhaltungspaket komplett.



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