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FBW-Bewertung: Dark Eden - Der Albtraum vom Erdöl (2018)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Darüber, welchen Preis die Ausbeutung von Bodenschätzen durch Industriekonzerne für die Umwelt und die Menschen hat, gibt es schon eine ganze Reihe von Filmen. Doch Jasmin Herold und Michael Beamish haben einen ganz eigenen, persönlichen Zugang zu diesem Thema gefunden, denn sie berichten aus dem Inneren des Systems heraus. Im Norden von Kanada gibt es mit Fort McMurray eines der größten und bislang letzten erschlossenen Ölvorkommen der Welt, und dort drehten die beiden Regisseure nicht nur ihren Film, sie lebten dort auch für mehrere Jahre. Michael Beamish ist in der Gegend aufgewachsenund er arbeitete im Ort an einem Theater. Und diese Innensicht macht es sowohl für die Filmemacher wie auch für die Zuschauer schwierig, schnell einfache Urteile zu fällen. Denn der Film konzentriert sich ganz auf die Menschen, die in Fort McMurray leben und für diese ist es ein Ort, an dem sieviel Geld verdienen können. Ein PR Manager, der die Kampagne ?We love Oil sands? betreut, ein deutscher Mechaniker und seine russische Ehefrau, ein Arbeiter aus Afrika, der den größten Teil seines Lohnes zurück in seine Heimat an seine Familie schickt und ein Angestellter, der sich mit demverdienten Geld seine Träume von Großwild-Safaris erfüllen kann, werden im Laufe von mehreren Jahren immer wieder mit der Kamera besucht und so ist gut zu beobachten, wie der anfängliche Enthusiasmus langsam verschwindet. Denn es kommt im Laufe der Zeit zu mehreren Krisen: Zuerst bricht der Ölpreis ein und die sicher geglaubten Jobs sind gefährdet. Der Afrikaner lebt etwa in ständiger Angst, weil er weiß, dass er auf der untersten Stufe der Hierarchie steht und als einer der ersten seine Arbeit verlieren wird. Und mit der Zeit wird immer deutlicher, wie gefährlich für die Umwelt dieArbeit in den Ölfeldern ist. Die Filmemacher besuchen eine indigene Familie, in der eine kleine Tochter Tumore hinter den Augen entwickelt hat - vor allem erkrankt aber auch Michael Beamish selber an Krebs. Doch diese für sie existentielle Geschichte erzählen die Filmemacher dezent und distanziert. Im größten Teil des Films spricht Jasmin Herold nur im Off von sich selber und den Erfahrungen der Beiden. Und dies ist eine kluge Entscheidung, denn als Protagonisten hätten sie alle anderen an den Rand gedrückt.

Doch so kommt man im Laufe des Films allen nah, und wenn sie von ihrem Leben und ihrer Arbeit erzählen, werden die Verhältnisse in Fort McMurray dadurch verständlicher, als dies ein konventioneller Film über das Thema hätte leisten können, auch wenn er noch so gut recherchiert und mit Fakten angereichert worden wäre. Der Film ist ein gutes Beispiel dafür, wie politisch das Private ist.In ihm wird immer ganz konkret von einem Dutzend Menschen erzählt und was sie erleben, fügt sich zu einer großen, existentiellen Geschichte. Wenn am Schluss des Films ein riesiger Waldbrand große Teil von Fort McMurray vernichtet und einige Protagonisten vor den verkohlten Ruinen ihrer Häuser stehen, wirkt dies wie eine Antwort der Natur auf die menschliche Hybris. Und wenn Herold und Beamish hier sowie in den letzten Sequenzen des Films dann doch sich selber filmen, ist dies kein Stilbruch, sondern eine konsequente Weiterführung.



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