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FBW-Bewertung: Morgen sind wir frei (2019)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.
Es herrscht Kulturrevolution in Teheran im Februar 1979. Der iranische Kommunist Omid (Reza Brojerdi) hat mit Frau und Tochter viele Jahre in der DDR gelebt. Nun nimmt er seine Frau bei ihrem Versprechen, mit ihm in seine Heimat zurück zu kehren. Die 37jährige Chemikerin Beate (Katrin Röver) und ihre gemeinsame Tochter Sarah (Luzie Nadjafi) richten sich ihr Leben in der fremden Kultur zunächst neu ein. Nach der anfänglichen Aufbruchstimmung stellt sich die Lage innerhalb des gnadenlosen Revolutionsregimes jedoch schnell problematischer als gedacht heraus. Es wird zunehmend schwerer, die Ideale von Freiheit und Gleichheit aufrecht zu erhalten, denn die Garden Khomeinis wachen über die Einhaltung der Scharia und terrorisieren zunehmen Andersdenkende. Erfasst von Willkür und Gewalt gerät das Land kontinuierlich zurDiktatur eines radikalen Gottesstaates. Beate und Omid müssen eine verhängnisvolle Entscheidung treffen, die dramatische Konsequenzen haben wird.
In einer fatalen Abwärtsspirale zeigt der Film Morgen sind wir frei konsequent die islamistische Umformung des Staates zu einem totalitären Gottesstaat. Mehr und mehr wächst der Einfluss der Glaubenswächter auf den Alltag der Bevölkerung. Die Großmutter fungiert dabei als religiöse Instanz innerhalb der Familie.Im Stil der Politthriller von Costa-Gavras zeigt der Film, wie ein totalitäres System eine Gesellschaft vergiftet und eine Familie zerstört.
Der dicht und spannend konzipierte Film glänzt mit einer sehr stringenten Entwicklung der Frauenfigur, während der Ehemann der Jury zeitweise ein wenig inkonsistent gezeichnet erscheint. Innerhalb des Systems jedoch wirkt er durchaus gefestigt in seinem Changieren zwischen Politik und Tradition, das er mit zahlreichen Kompromissen meistert. Am Ende jedoch muss er eine fatale Entscheidung treffen, das macht die deterministische Dramaturgie gnadenlos deutlich. Die Erzählperspektive hält sich an die weibliche Protagonistin, ist aber für mehrere Ansätze offen.
Außergewöhnlich mutig und inszenatorisch sicher, ist der Film vor allem hervorragend gespielt. Morgen sind wir frei ist ein wichtiger Film in einer Zeit, die sich schwer damit tut, mit einem nüchternen Blick auf die fließenden Grenzen zwischen Ideologie und Religion zu werfen. Umso relevanter erscheint er daher der Jury, die die audiovisuelle Inszenierung und die Schauspielkunst gleichermaßen würdigt und das Prädikat ?besonders wertvoll? vergibt.



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