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FBW-Bewertung: Le Mans 66 - Gegen jede Chance (2019)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Als Mitte der 1960er Jahre der Automobil-Mogul Henry Ford II. vor seine Mitarbeiterschaft tritt, ist er umringt von ungezählten Anzugträgern. Die Absatzzahlen stagnieren, die Konkurrenz holt auf ? eine radikale Idee muss her, um das große Werk des legendären Firmengründers Henry Ford I. wieder an die Spitze zu bringen. So entsteht die Idee, es Ferrari ? dem ebenfalls von einem genialen Macher- und Machtmenschen geführten Unternehmen ? gleichzutun und die Marke Ford mit dem Gedanken des Siegens zu verbinden. Ein Triumph im Autorennen muss her, am besten der größte aller Siege: Le Mans.

Zwei Charakterköpfe könnten diese Aufgabe bewältigen ? der visionäre Sportwagenhersteller Carroll Shelby und der Rennwagenpilot Ken Miles. Auf dem Weg zum Sieg gilt es Hindernisse zu überwinden, und die liegen nicht nur in der Physik der Motoren, Bremsen und Getriebe, sondern ? schlimmer noch ? in der Systematik der Entscheidungswege. Denn je mehr Anzugträger sich um Henry Ford drängen und mitbestimmen wollen, desto mehr verwässert das Projekt. Den Sieg in Le Mans kann aber nur gewinnen, wer risikobereit ist und individuelle Entscheidungen vertreten kann. Das bestätigt auch das einmalig originelle, aber eben auch kontraproduktive Zielfoto der drei einlaufenden Fords.

Der Film erzählt eine Episode aus der Geschichte des Autorennens von Le Mans. Bei bekanntem Ausgang der Geschichte verlagert sich die Gewichtung auf das ?Wie?, und hier zeigt LE MANS 66 großes Kino. Die Verschränkung der thematischen Stränge ? die technische Entwicklung des Rennwagens mitsamt aller Rückschläge und das Ränkespiel um die Zuständigkeit und die Projektleitung, in der sich die Ängstlichkeit des Apparates ausdrückt ? macht den Film neben einem Kinoabenteuer für die ganze Familie am Rande auch zu einem interessanten popkulturellen Beitrag zu gesellschaftspolitischen Debatten, die vielerorts von dem Konflikt zwischen einzelnen Entscheidern und ihren beigeordneten Gremien beherrscht sind. Allerdings, so wirft die Jury kritisch ein, hat der Film dadurch und durch die vergleichsweise ausführliche Vorgeschichte einige erzählerische Längen, die ihn nicht durchweg flüssig und leichtfüßig erscheinen lassen.

Im Zentrum vor allem des letzten Drittels des Films stehen dann die Autorennsequenzen, die hinsichtlich ihrer visuellen Gestaltung und ihres Sounddesigns packend sind und genau das liefern, was man inszenatorisch von einem Le-Mans-Film erwartet.

Das Ensemble wird durchgängig von vitalen Figuren bevölkert, und der Film vermeidet es geschickt, im Reigen der typischen Eigenbrödler, Querköpfe, Intriganten und sorgenden Hausfrauenmütter die Klischees überwiegen zu lassen. Einschränkend merkt die Jury an, dass sich umgekehrt nur wenige Figuren finden lassen, diewirklich originell und damit überraschend gezeichnet sind.

Nach ausführlicher Diskussion und Würdigung aller Aspekte hat sich die Jury der FBW entschieden, dem Film aufgrund seiner eindeutigen Qualitäten das Prädikat ?wertvoll? zu verleihen.



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