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FBW-Bewertung: Die Kandidaten (2019)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Plakate kleben, Werbematerial verteilen, Interviews geben oder auch Veranstaltungen planen: Was während eines Wahlkampfs passiert, das kennen die meisten Menschen vermutlich nur aus dem Fernsehen und dort stehen dann bestenfalls auch nur die Reden der Spitzenkandidaten im Fokus. Wie sich Wahlkampf an der Basis abspielt, das interessiert die Medien dagegen eigentlich nicht. Michael Schwarz undsein Kameramann Alexander Griesser haben daher junge Politiker begleitet, um zu zeigen, wie sich die heiße Phase des Wahlkampfs auf lokaler Ebene anfühlt.

Jan Metzler, Thomas Hitschler, Misbah Khan, David Dietz, Max Keck und Sebastian Münzenmeier haben eines gemein: sie waren zur Bundestagswahl 2017 Direktkandidaten ihrer Parteien in ihren rheinland-pfälzischen Wahlkreisen. Mit hoher Einsatz- und Kontaktfreudigkeit und vor allem mit sehr viel Enthusiasmus haben sie dort versucht, den Wahlkampf für sich zu nutzen. Einige konntenihren Weg in die Bundespolitik fortsetzen, andere machen heute nur noch außerhalb der Parteienlandschaft Politik.

In der Filmdiskussion hat die Jury angemerkt, dass Schwarz genauso akribisch wie detailreich arbeitet. Immer wieder sucht er die Kandidatenüber die vielen Tage des Wahlkampfes auf. Er begleitet sie durch ruhige, wie auch stressige Phasen und lässt sie einfach agieren. Seine Dokumentation will nicht kommentieren, lässt dafür lieber Aussagen und Bilder für sich sprechen. Mit bemerkenswerter Souveränität kann er den jungen Kandidaten dabei außerordentlich nahe kommen. Die Kamera kann Details einfangen, die mehr über sie verraten, als lediglich ihr politisches Bewusstsein. Und so zeigt der Film auch ganz beiläufig, dass Kandidaten, die sich zunächst noch als politische Heroen inszeniert haben, zu einigermaßen naiven Mitmenschen schrumpfen, sobald sie die Wahlkampf-Routine überfordert.

Wahlkampf ist für alle Kandidaten harte Arbeit und vor allem sehr, sehr viel direkter Kontakt mit den Wählern. Hier zeigt sich, dass Schwarz ein Gespür für die Persönlichkeit seiner Protagonisten hat. Er folgt ihnen auf Jahrmärkten und Wahlveranstaltungen, ist dabei, wenn sie von Tür zu Tür ziehen oder Flyer verteilen. Abseits der persönlichen Ebene demonstriert der Film hier, dass Wahlkampf letztlich nicht mehr ist, als eine große Werbeveranstaltung.

Kritisch sah die Jury jedoch die Dramaturgie des Films. Denn der Film bemüht sich in den Augen der Jury so sehr um Überparteilichkeit, dass der Film zunehmend an Spannung verliert. Wahlkampf ist sicherlich ein heikles Thema und sicherlich ist der Filmemacher auch darum bemüht, allen Kandidaten die gleichen Chancen zur Darstellung einzuräumen. Aber nach Ansicht der Jury vermag dieses wirklich augenscheinliche Bemühen um Parität das Interesse der Zuschauer nicht über die gesamte Filmlänge zu bannen. Dennoch ist DIE KANDIDATEN auch über seine sehr gute Montage und seiner beinahe intimen Kameraführung hinaus eine filmhandwerklich außerordentlich gut gemachteDokumentation über lokalen Wahlkampf.



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