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Normal (2019)

Dokumentarfilm über traditionell geprägte Genderrollen in Italien.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse ??? / 5

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Kinder bekommen in der italienischen Gesellschaft – und natürlich auch in anderen europäischen Ländern – früh vermittelt, was ihre Eltern mit ihrem Geschlecht verbinden. Ein Mädchen wird von der Mutter zum Ohrlochstechen gebracht. Dabei bekommt die Kleine zu hören, wie brav und wie schön sie sei. Ein Vater begleitet seinen Jungen zu einem Rennen auf kleinen Motorrädern. Auch die anderen Jungen, die sich auf ihren Maschinen in die Kurven legen, werden von Vätern angefeuert.

Die gendertypische Sozialisation geht in der Jugend weiter. Jungen spielen Egoshooter und bemühen sich, in die Rolle eines "Alpha-Mannes" hineinzuwachsen, der, wie ein Dating-Coach einem Jugendlichen erklärt, sich Frauen gegenüber behaupten soll. Eine Gruppe Mädchen bejubelt kreischend einen jungen Youtube-Star, der Exemplare seines Buchs signiert, begleitet von Küssen für ein Souvenirfoto.

In einem Kurs für Bräute bekommen die Frauen zu hören, dass sie den Haushalt zu führen haben und den Mann nicht vernachlässigen dürfen, wenn ein Baby da ist. In einem Park nehmen junge Mütter an einer Gymnastikstunde teil und schieben dabei die Kinderwagen. In Ferrara schließen zwei Männer eine Eingetragene Lebenspartnerschaft. Dieses Beziehungsmodell verdeutlicht, dass die traditionellen Genderrollen überholt sind.

Bildergalerie zum Film "Normal"

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse3 / 5

Der Dokumentarfilm von Adele Tulli widmet sich den starren Genderrollen, die in der italienischen Gesellschaft immer noch vorherrschen. Mädchen machen sich hübsch, Jungs lassen die Herzen ihrer Väter höher schlagen, wenn sie Wettrennen gewinnen und mutig sind. Die geschlechtsspezifische Erziehung läuft darauf hinaus, dass junge Ehefrauen und Mütter den Haushalt allein schmeißen und ihren Mann bei Laune halten. Natürlich ist eine solche Prägung auch in anderen europäischen Ländern noch weit verbreitet. Doch in Italien hält sich die Vorstellung vom "Alpha-Mann" und der Frau, die ihm gefallen will, anscheinend besonders hartnäckig. Gerade deswegen kann Tullis kurzer Film auch einem deutschen Publikum die Augen dafür öffnen, wie grotesk die gelernten Vorstellungen über weibliches und männliches Verhalten eigentlich sind.

Womit Mädchen spielen und was Jungen erfreut, zeigt sich schon auf dem Verpackungsbild der Spielwaren. Ein lächelndes Mädchen steht vor der Plastikküche mit Geschirr, ein Junge vor einer Werkbank. Das ist hierzulande nicht anders. Der anhaltende Brauch, Mädchen in rosa Prinzessinnen zu verwandeln, hält sicher viele Jungen auf Abstand zu diesem Spieluniversum. Über weite Strecken wirken Tullis filmische Beobachtungen regelrecht banal, weiß man doch selbst, dass Ballerspiele bei männlichen Jugendlichen beliebt sind und Mädchen dazu neigen, junge Männer, die sich auf Youtube präsentieren, anzuschmachten. Aber dass angehende Ehefrauen bei einem Vortrag zu hören bekommen, der Haushalt sei ihre Aufgabe, mutet dann schon befremdlicher an. Sie müssten, wird ihnen gesagt, dem Ehemann genauso viel Aufmerksamkeit schenken wie dem Baby, um das sie sich bald kümmern werden.

Die Auflistung unkommentierter Beobachtungen bei Vorträgen, Sport- und Freizeitveranstaltungen erzielt ihre Wirkung in der Masse. Die Betrachtung bekommt oft auch eine ironische Note, beispielsweise in der Szene mit der Gymnastik für Mütter mit Kinderwagen im Park. Sie vermittelt den Eindruck, Frauen müssten im Alltag ständig ans Kinderhüten gefesselt sein. Tulli will mit solchen Anspielungen Denkanstöße liefern. Das gelingt ihr nicht zuletzt mit der Schlusspointe einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft zweier Männer. Wahrscheinlich wurde keiner von ihnen dazu erzogen, den Haushalt zu machen. Gut möglich, dass sie sich diese Arbeit dann einfach teilen.

Fazit: Der Dokumentarfilm von Adele Tulli nimmt das starre geschlechtliche Rollenverständnis, das in der italienischen Gesellschaft immer noch vorherrscht, kritisch und belustigt unter die Lupe. Er listet unkommentiert Beobachtungen aus dem Leben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auf, in denen Rollenerwartungen vermittelt und übernommen werden. Gerade in der Masse entlarven sie, wie grotesk und veraltet das patriarchale Verständnis von der Aufgabenteilung und Hierarchie der Geschlechter ist. Viele der aufgeführten Situationen dürften dem Publikum aus eigenem Erleben bekannt sein und zum Nachdenken anregen.




Besetzung & Crew von "Normal"

Land: Schweiz, Italien
Jahr: 2019
Genre: Dokumentation
Länge: 67 Minuten
FSK: 12
Kinostart: 03.10.2019
Verleih: missingFilms



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