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FBW-Bewertung: Stasikomödie (2020)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Komödien gehören so ziemlich zum schwierigsten Genre, an das sich ein Filmemacher wagen kann. Schon deswegen war es ein ziemliches Päckchen, das Leander Haußmann mit sich herumgetragen haben muss. Eine Komödie über die Arbeit der Stasi zu machen, ist allerdings noch eine Nummer härter. Dementsprechend gespannt zeigte sich die Jury bei der Sichtung seiner STASIKOMÖDIE.

Haußmann hat gut daran getan, sich nicht auf die Stasi selbst zu konzentrieren. Stattdessen hat er das Beziehungsgeflecht seines Protagonisten Ludger Fuchs thematisiert. Der ist zwar von der Stasi rekrutiert, führt aber, kaum in die aufmüpfige Künstlerclique des Prenzlauer Bergs eingeführt, ein genauso amouröses wie renitentes Doppelleben. Mit STASIKOMÖDIE lässt Haußmann Stimmung und Charme von SONNENALLEE wieder aufleben, ohne zu sehr in die Ostalgie-Falle zu stolpern. Liebevoll und von Pathos befreit erzählt er vom Leben auf dem Prenzlauer Berg, wo, wie sich erst Jahre nach der Wende herausgestellt hat, die Stasi so viele IMs hatte, dass sie quasi immer mit zu Gast am Biertresen war. Dass sein Ludger Fuchs schließlich als alternativer Schriftsteller gerade in der Künstlerszene groß herauskommt, ist zum einen ein genialer Schachzug, zum anderen aber auch nicht ganz vorbildfrei. Denkt man z.B. an den Fall von Sascha Anderson, könnte man meinen, dass dieser hier Pate gestanden hat.

Aber natürlich bekommt in STASIKOMÖDIE fast jeder sein Fett ab. Angefangen von der Kunstszene, die alles goutiert, solange es sich anarchisch interpretieren lässt, bis hin zu Mielke, der sich auf einer Rokoko-Party zunächst als feudal-absolutistischer Fürst feiern lässt, nur um kurz darauf ?Der kleine Trompeter? anstimmen zu lassen. Den ernsten Hintergrund der DDR-Zeit stellt Haußmann dabei nie in Frage. STASIKOMÖDIE ist keine brachiale Abrechnung mit der DDR-Vergangenheit. Schenkelklopfende Kalauer und abgedroschene Scherze sucht man vergebens. Stattdessen bietet Haußmanns Film toll getimte, manchmal auch überdrehte kleine Feuerwerke tiefgründiger humoriger Szenen und reichlich Wortwitz. STASIKOMÖDIE ist großartig erzählt und gut beobachtet, versprüht mindestens genauso viel Leidenschaft wie Humor und überzeugt mit brillanten Schauspielern.

Bei der Sichtung meinte die Jury nachgerade zu spüren, wie viel Spaß Haußmanns Cast bei den Dreharbeiten gehabt haben muss. Jörg Schüttauf und David Kross, als älterer und jüngerer Ludger Fuchs, ergänzen sich prima, und auch Antonia Bill und Deleila Piasko als DIE Frauen in dessen Leben leisten Großartiges. Die eigentliche Sensation aber ist Henry Hübchen in der Rolle des vorgesetzten Stasi-Offiziers. Genauso mächtig wie wissend und vermutlich deshalb auch desillusioniert, versucht er seinen Laden irgendwie zusammen zu halten, auch wenn das vor der Vielzahl möglicher subversiver Bedrohungen kaum möglich scheint.

STASIKOMÖDIE ist gut gespielte, hervorragend getaktete und daher beste Unterhaltung, genauso feinsinnig wie intelligent erzählt, wirklich witzig und bis zum wahrlich grandiosen Finale eine echte Überraschung für die Leinwand. STASIKOMÖDIE zeigt, dass es tatsächlich Hoffnung für die deutsche Komödie gibt. Die Jury freut sich daher besonders, dem Film das Prädikat ?besonders wertvoll? verleihen zu dürfen.



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