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FBW-Bewertung: Old (2021)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: M. Night Shyamalans Mystery-Thriller kommt zunächst als simpler Genre-Film daher, entpuppt sich dann aber mehr und mehr als cineastische Versuchsanordnung mit größeren Ambitionen. Die Handlung bringt, ganz im Katastrophenfilm-Modus, eine bunte Mischung von unterschiedlichen Persönlichkeiten an einem aufs erste idyllisch erscheinenden Ort zusammen. Im Zentrum steht dabei eine Kleinfamilie, die von dem Ehepaar Guy (Gael García Bernal) und Prisca (Vicky Krieps) zusammen mit ihren Kindern Trent und Maddox gebildet wird. Ein Ferienaufenthalt in einem Luxusressort ? als Schnäppchen erworben, bekennt Prisca an einer Stelle ? soll der kriselnden Ehe eine Verschnaufpause verschaffen. Auch die anderen Familien und Paare, die mit ihnen zu einem Sonderausflug an einen entlegenen, aber wildschönen Strand gefahren werden, sind alle an einem Krisenpunkt. Erst im Lauf des Films aber stellt sich heraus, was die wahren Ursachen ihrer Neurosen und Beschwerden sind ? und vor welches große, eventuelle unlösbare Problem sie die Prämisse des Films zusätzlich stellt.

Mit einer herausragenden Kameraarbeit, die mit überraschenden Bewegungen und kalkulierten Tiefenschärfewechsel eine ganz eigene Perspektive auf die dramatischen Entwicklungen freigibt, und einer sehr atmosphärischen Verdichtung der Erzählung auf den Ablauf von kaum mehr als 24 Stunden, gelingt Shyamalan ein Thriller, dessen Reiz sich mit der Zeit mehr und mehr entfaltet ? mit dem hochinteressanten Dreh, dass die Zeit selbst das zentrale Thema bildet. Die Fragen um Alter, Krankheit und Tod bündelt der Regisseur in einen Plot, der gewissermaßen sich selbst kommentiert: So wie die Figuren auf der Suche nach einer Lösung aus ihrer Lage sind, während sie sich unfähig fühlen, die wahren Hintergründe und Verursacher zu entschlüsseln, muss sich auch der Zuschauer hier permanent selbst hinterfragen.

Die einzelnen Rollen sind durchweg gut besetzt, Vicky Krieps und Gael García Bernal spielen herausragend, besonders gelungen erschien der Jury auch die unterschiedliche Besetzung der beiden Kinder in ihren verschiedenen Alters- bzw. Lebensphasen. Gelobt wurde auch die sehr stimmige Filmmusik. Die Eindimensionalität der Dialoge fällt dagegen ab, kann aber der Spannung keinen Abbruch tun. "Old" funktioniert sowohl als großartig fotografierter Mystery-Film, als auch als Meta-Kino, das mit den eigenen Kunstmythen spielt.



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