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FBW-Bewertung: Der Räuber Hotzenplotz (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Als die Kaffeemühle der Großmutter verschwunden ist, wissen Kasperl und sein Freund Seppel sofort, wer dahintersteckt: der Räuber Hotzenplotz hat sie gestohlen! Sofort machen sie sich auf, um ihm eine Falle zu stellen und die Kanne zurückzuholen. Der Plan geht allerdings gründlich schief. Die beiden müssen getrennte Wege gehen und werden entführt. Der eine landet in der Höhle des Räubers, der andere im Schloss des Zauberers Petrosilius Zwackelmann. Dort harrt auch die verwunschene gute Fee Amaryllis ihrer Befreiung. Während Polizist Dimpfelmoser mit Unterstützung der Hellseherin Schlotterbeck und ihres zum Krokodil mutierten Dackels Wasti die Ermittlungen in dem Fall aufnimmt und noch mehr Durcheinander anrichtet, müssen Kasperl und Seppel zusehen, wie sie sich selbst befreien und auch die Fee Amaryllis retten können.
Seit 60 Jahren begeistert Otfried Preußlers ?Räuber Hotzenplotz? ganze Generationen von Kindern und Eltern: in Buchform und immer wieder auch auf der Leinwand. Nach Gert Fröbe (1974) und Armin Rohde (2006) ist jetzt Nicholas Ofczarek in die Titelrolle geschlüpft in dieser neuerlichen Verfilmung, die zum 60. Jubiläum in deutsch-schweizer Koproduktion unter der Regie von Michael Krummenacher hergestellt wurde. Dabei hält sich das Drehbuch von Matthias Pacht eng an die literarische Vorlage und vereint verschiedene Abenteuer aus den drei Bänden zu einer munter-stimmigen Geschichte.
Das hat auch eine illustre Riege bekannter deutschsprachiger Schauspielerinnen und Schauspieler überzeugt, die sich hier ein Stelldichein gibt: Hedi Kriegeskotte spielt die Großmutter, August Diehl brilliert als fieser Zauberer Zwackelmann, während Olli Dittrich als Polizist Dimpfelmoser und Christiane Paul als Hellseherin Schlotterbeck auftauchen und Luna Wedler die Fee Amaryllis gibt. Im Mittelpunkt aber stehen die beiden überzeugenden Jungdarsteller Hans Marquardt und Benedikt Jenke als Kasperl und Seppel. Alle sind mit großer Spielfreude dabei und vermitteln stets das optimistische Gefühl, dass das Abenteuer trotz aller Verwicklungen ein gutes Ende nehmen wird ? so wie es sich für eine Geschichte gehört, die ihren Ursprung im Kasperltheater hat.
Die Achtung gegenüber der Vorlage zeigt sich gleich in der Eingangssequenz des Films, die der bekannten Illustration des Buchcovers entlehnt ist, in der der Räuber über den Gartenzaun lugt. Im Folgenden ist die Geschichte auf angenehm altmodische Weise erzählt, moderne Elemente, wie das Abklatschen von Kasperl und Seppel zu Begrüßung, sind behutsam eingefügt. Auch die Sprache ist einfach und ?preußlerisch? geblieben, auf zusätzlichen Klamauk und Witze wird weitgehend verzichtet. Das Erzähltempo ist eher langsam, der Musikeinsatz konventionell, Spezialeffekte sind sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzt. Der Film zeichnet sich durch große Farbigkeit aus. Besonderer Wert wird auf die malerischen Drehorte in Gebirgslandschaften und auf eine phantasievolle Ausstattung gelegt, in der Großmutters Küche heimelig, die vollgestopfte Räuberhöhle ein Ort der Entdeckungen und das hoch aufragende Schloss des Zauberers ebenso karg wie unheimlich faszinierend sind.
Die Konzentration kommt den Figuren zugute, die mehr Tiefe erhalten. So entwickelt Hotzenplotz Zweifel an seiner Profession. Wäre da nicht das Bildnis seines Vaters, eines berüchtigten Räubers, so würde er gern etwas anderes machen. Zauberer Zwackelmann verzweifelt schier an seinem Gefangenen Seppel, der keine Kartoffeln schälen kann und sich als wesentlich gewitzter erweist als gedacht. Obwohl alle Hauptpersonen männlich sind, stellen sich auch die Frauenfiguren als interessant und wichtig heraus, denn mit ihren besonderen Fähigkeiten tragen die Großmutter, die Witwe Schlotterbeck und die Fee Amaryllis zur guten Wendung der Geschichte bei. Und hoffnungsvoll ist schließlich die junge Generation: Als sie am Ende drei Wünsche frei haben, wünschen sich Kasperl und Seppel, abgesehen von einem Ersatz für die verlorene Mütze, nichts für sich selbst, sondern für das Wohlergehen anderer, einschließlich Hotzenplotz.
Mit diesen Qualitäten erweist sich DER RÄUBER HOTZENPLOTZ als liebevoll-nostalgische Kinderbuch-Adaption und klassischer Kinderfilm, der für die ganze Familie funktioniert.



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