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FBW-Bewertung: Le Prince (2021)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Es gibt Filme, bei denen merkt am schon nach wenigen Minuten, dass sie auf Erfahrungen und nicht auf möglichst originellen Drehbuchideen basieren. LE PRINCE ist einer von diesen seltenen Glücksfällen. Lisa Bierwirth kennt das Milieu, in dem sie ihre Geschichte angesiedelt hat, und so ist die Information, dass sie sich von Erlebnissen ihrer Mutter inspirieren ließ, fast schon unnötig. Lisa Bierwirth kennt die Charaktere, die sie in ihrem Film auftreten lässt. Sie weiß, wie sie reden, wie sie handeln, welche Arbeit sie verrichten, was ihre Ängste und Hoffnungen sind. Und dies in beiden Lebenswelten: dem Bildungsbürgertum von Frankfurt, dem ihre Protagonistin, die Kuratorin Monika angehört, und der Szene der in Frankfurt lebenden Afrikaner, die oft in prekären Verhältnissen leben, denen zum Teil die Abschiebung droht und die ihr Geld oft bei zwielichtigen Geschäften verdienen. So trifft Monika auch den kongolesischen Geschäftsmann Joseph während einer Razzia. Die beiden stoßen im wahrsten Sinne des Wortes gegen und aufeinander - ganz im Stil traditioneller Liebesfilme. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Liebesgeschichte, bei der beide ihre Grenzen ausloten müssen, denn unterschiedlicher können ihre Milieus und Mentalitäten kaum sein. Lisa Bierwirth hat einen präzisen Sinn für Zwischentöne und Nuancen, und so wirken sowohl ihre Dialoge wie auch die Situationen, in die sie ihre Protagonist*innen setzt, immer authentisch, komplex und lebendig. Kein Wort riecht nach Drehbuch, keine Episode wirkt forciert. Und man spürt auch, dass hier bei der Bildgestaltung, Montage und vielen anderen Gewerken Frauen das Sagen haben. So wird hier Intimität mit einem empathischen und nie voyeuristischen Blick dargestellt, und obwohl es Bierwirth gelingt, ihren Figuren sehr nah zu kommen, vereinnahmt sie sie nie völlig. Stattdessen bleibt auch immer eine diskrete Distanz zu ihnen. LE PRINCEist auch ein politischer Film, denn in ihm werden unbequeme Fragen über postkolonialen Strukturen und Machtverhältnissen gestellt. Und auch hier vermeidet Bierwirth die einfachen Antworten. Wenn die Afrikaner am Küchentisch die Freundin von Monika sexistisch verspotten und dabei ausnutzen, dass diese ihre Sprache nicht versteht, ist dies ein schockierender Moment - auch weil hier eben nicht die vermeintlich Machtlosen die Beleidigten sind. Bierwirth hat es auch nicht nötig, mit den melodramatischen Tricks einer konventionellen Dramaturgie zu arbeiten. Wenn Monika ihren Job nicht bekommt, dann nicht, weil sie einen afrikanischen Lebenspartner hat. Und Monika wird auch nicht von einem der Freunde von Joseph ausgenommen, sondern entscheidet immer souverän, mit welchen Mitteln sie ihm helfen will. Umso effektiver ist dann die Schlusspointe, die zum einen darauf basiert, dass Bierwirth sich eben in den Milieus auskennt, zum anderen aber die Unmöglichkeit dieser Liebe mit einem Knalleffekt (im wahrsten Sinne des Wortes), auf den Punkt bringt.



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