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FBW-Bewertung: Die stillen Trabanten (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die Figuren in Thomas Stubers neuem Film sind ?stille Trabanten?, weil sie nicht zu den Personen gehören, von denen oft Liebesgeschichten erzählt werden. Sie gehören zu dem, was früher das ?Proletariat? genannt wurde ? heute kann man sie Dienstleister:innen nennen. Der Eine ist Wachmann, eine Andere gehört zum Reinigungspersonal der Deutschen Bahn, wieder Einer ist Imbissbesitzer, und dann gibt es da noch eine Friseurin. Sie sind die Stillen, die kein aufregendes Leben führen, sondern sich abmühen, um die Miete bezahlen zu können. Thomas Stuber und Clemens Meyer, auf dessen Kurzgeschichten der Film basiert, zeigen, dass auch unter diesen Figuren die Liebe einschlagen kann, und dass sich durch diese Liebe sogar in Betonhochhäusern und Bahnhofskneipen alles verändern kann. Doch Stuber und Meyer vermeiden es, romantisch oder gar melodramatisch zu erzählen. Die Protagonisten haben es sich ruhig in ihren Verhältnissen eingerichtet, und die Liebe zeigt sich in kleinen Momenten der Nähe und Zuneigung. Der Film erzählt, wie sie leben und arbeiten, und wie sie sich dabei kennenlernen. In der Kneipe beim gepflegten Trinken, auf dem Balkon beim Zigarettenrauchen oder nachts auf einem Spielplatz kommen diese drei Paare zueinander, und Thomas Stuber lässt sich Zeit damit, genau zu zeigen, was sie zueinander treibt und welche Schwierigkeiten sich ihnen dabei stellen. Er zeigt, zu welcher Zärtlichkeit sie fähig sind ? auch und gerade die zwei Männer, die beide die autoaggressive Ayisha lieben, aber denen ihre Freundschaft fast genauso wichtig ist. Durch die einfühlsame Inszenierung kommt man den Protagonist:innen sehr nah, und wenn die Regel stimmt, dass der entscheidende Teil der Regiearbeit die Besetzung ist, dann liefert DIE STILLEN TRABANTEN einen guten Beleg dafür. Großartige deutsche Schauspieler:innen wie Martina Gedeck, Albrecht Schuch und Charly Hübner spielen hier so natürlich und intensiv, dass sie bald mit ihren Rollen zu verschmelzen scheinen, und Nastassja Kinski, die lange keine Kinorolle mehr angenommen hatte, ist hier kaum wiederzuerkennen. Der Film hat einen angenehmen ruhigen Fluss und wird nie laut. Wie alle guten Liebeslieder, Liebesgeschichten und Liebesfilme hat er einen melancholischen Grundton, aber Thomas Stuber gönnt nicht nur einem seiner Paare ein hoffnungsvolles Ende - er lässt sogar auf einem Leipziger Hinterhof einen Kirschbaum blühen.



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