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FBW-Bewertung: Geschichten vom Franz (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Beinahe nostalgisch muten Christine Nöstlingers GESCHICHTEN VOM FRANZ heute an und sind dennoch immer noch Bestseller der Kinderliteratur. Der Erfolg mag auch am immer wiederkehrenden und aktuellem Grundthema der Geschichten liegen, dem Gefühl des Ungenügens der Hauptfigur, oder wie es in den Geschichten über Franz heißt: ?Er ist für sein Alter zu klein, seine Stimme wird, wenn er sich aufregt, piepsig und weil er blonde Ringellocken, einen Herzkirschenmund und rosarote Plusterbacken hat, wird er mindestens dreimal am Tag für ein kleines Mädchen gehalten.? Keine guten Voraussetzungen für einen Erfolg in der testosteronschwangeren Welt von Jungen, aber ein tolles Thema für einen Kinderfilm.

GESCHICHTEN VOM FRANZ kann den Druck, der auf dem kleinen Protagonisten lastet, gerade auch jüngeren Zuschauer äußerst glaubwürdig vermitteln. Mit viel Charme und nur geringen Übertreibungen gelingt es Regisseur Johannes Schmid und seiner Drehbuchautorin Sarah Wassermair, sehr nah an seiner Zielgruppe zu sein und dennoch Bewusstsein für echte Problematiken zu schaffen. Ohne übertriebene visuelle Effekte, dafür aber mit einem wirklich super gecasteten Ensemble, steuert der Film genauso charmant, wie glaubhaft durch die Untiefen kindlicher Probleme.

Der neunjährige Franz entdeckt die 20 Regeln des Macho-Influencers Hank Haberer für sich. Durch sie, so glaubt er, habe er eine Möglichkeit auf die Schnelle stark und selbstbewusst zu werden. Trotz seines Retro-Flairs fügt sich GESCHICHTEN VOM FRANZ hervorragend in die neueren Genderdiskussionen. ?Was macht einen Mann zum Mann??, könnte Johannes Schmids Familienfilm als Untertitel tragen. Nicht nur, weil der kleine Franz nach seinem Platz im Leben sucht, sondern auch weil dessen Vater eine noch immer recht ungewöhnliche Rolle spielt: Während Franz? Mutter für das nötige Kleingeld sorgt, ist der Vater Hausmann. Wie gut GESCHICHTEN VOM FRANZ mit Rollenstereotypen zu spielen weiß, zeigt sich auch hier, denn als der Vater von Hank Haberer hört, stellen sich sogar bei ihm kurzzeitig Zweifel an seiner Männlichkeit ein. Das ist unprätentiös und gut und ? so die Jury - vom erhobenen Zeigefinger meilenweit entfernt.

Die Jury hat in ihrer Diskussion gleichwohl das Setting gelobt. Weil auch im Kinderfilm mittlerweile schicke Modellwohnungen Einzug gefunden haben, besticht GESCHICHTEN VOM FRANZ durch sein authentisches Milieu. Franz wohnt nicht etwa im schicken Eigenheim, sondern in einer Mietwohnung. Dort wirkt nichts beständig steril und aufgeräumt, sondern tatsächlich bewohnt. Authentisch auch die Erwachsenenfiguren, die in Kinderfilmen häufig als bloße Randerscheinungen auftreten oder aber hoffnungslos überzeichnet sind. So wie der Lehrer Zickzack machen einige der Charaktere im Laufe des Films eine Entwicklung durch, unterlaufen einem Lernprozess, sie reifen sichtlich an ihren Aufgaben. Das vermittelt den Zuschauern, dass auch Erwachsene sich irren können und nicht per se Recht haben.

Nur wenige Nebenfiguren, so wie die Nachbarin Frau Berger oder die Mitglieder der Franz nicht allzu freundlich-gesonnen Kindergang, erschienen der Jury ein wenig zu klischeehaft gezeichnet. Insgesamt aber hat sie großen Gefallen an den Charakteren, insbesondere den sehr gut geführten Kinderdarstellern gefunden. GESCHICHTEN VOM FRANZ ist nach Ansicht der Jury ein wirklich gelungener Kinderfilm, der sich mit Wiener Charme und ?echtem? Christine Nöstlinger-Sound eines ernsthaften Problems vieler Kinder annimmt und dennoch immer unterhaltend bleibt. Ein wirklich intelligentes Filmvergnügen für die Zielgruppe, dem die Jury wirklich gerne das Prädikat ?besonders wertvoll? verleiht.



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