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FBW-Bewertung: Das fliegende Klassenzimmer (2023)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Dies ist bereits die vierte Verfilmung des Kinderbuchklassikers von Erich Kästner. Das verwundert nicht, denn schließlich werden bereits in der literarischen Vorlage Themen wie Bullying, soziales Gefälle, Aggressionen zwischen Cliquen, Versagungsängste, Solidarität und Freundschaft behandelt, die so universell sind, dass sich heute genauso gut von ihnen erzählen lässt wie in den 1930er Jahren. Die Hauptprotagonistin Martina kommt aus Berlin in ein Internat nach Südtirol, wo sie sich auf eine Prüfung vorbereiten soll. Deren Ergebnis wird entscheiden, ob sie als begabtes Kind ohne gutbetuchte Eltern mit einem Stipendium an der Schule lernen kann. Von Anfang an wird Martina in die Konflikte der Schule hineingeworfen, denn sie wird im wahrsten Sinn des Wortes von den ?Externen? durch das Dorf ?gejagt?. Diese ?Externen? bekämpfen traditionell die ?Internen?, also jene Klassenmitglieder, die im Internat wohnen. Dieser ?Krieg der Knöpfe? bildet den Hauptspannungsbogen der Geschichte. In Nebensträngen geht es darum, dass jedes der Kinder seine Stärken erkennt und seinen eigenen Weg findet, sowie um den Konflikt zwischen dem Internatsleiter und einem einsiedlerischen Künstler, der in einem ausrangierten Eisenbahnwagen lebt und schnell zum Verbündeten von Martina und ihren Schulkameraden wird. Der Internatsleiter und der Künstler waren einst Freunde, aber auch Schüler auf dem Internat in den verschiedenen Lagern. Sie spiegeln also die Situation zwischen den beiden Schülergruppen wider. Der Film hat eine angenehme Grundatmosphäre und die idyllischen Schauwerte des sommerlichen Südtirol werden von Carolina Hellsgård ebenso kompetent und inspiriert ins Bild gesetzt wie die durchweg überzeugenden Darsteller:innen. Sowohl die jugendlichen wie die altgedienten Schauspieler:innen lassen ihre Figuren überzeugend lebendig werden. Nur Hannah Herzsprungs Schuldirektorin kommt den aus ?Paukerfilmen? bekannten Klischees manchmal ein wenig zu nah. Die Geschichte indes wurde modernisiert: Handys und Skaten spielen eine große Rolle, aber leider wird, so die Jury, die Chance, die Geschichte auch medial ins 21.Jahrhundert zu holen, auf halbem Wege fallengelassen. Statt das Theaterstück ?Das Fliegende Klassenzimmer? wie jedes Jahr beim Schuljahresabschlussfeier auf der Bühne zu präsentieren, beginnt Martina es zusammen mit ihren Freunden, allen voran die nicht auf den Mund gefallene Leo, als Handyfilm zu inszenieren, und sie haben dabei so originelle Ideen, dass der ?Nichtraucher? sich gerne entscheidet, der Gruppe zu helfen. Doch dann wird das Video, nicht sehr plausibel, von Leos Handy gelöscht, sodass letzten Endes doch eine Theaterinszenierung aufgeführt wird, gemeinsam von den plötzlich vereinten internen und externen Schüler:innen. Für die Jury wird so ein fulminantes, aber doch auch etwas unglaubwürdiges Finale aus dem Hut gezaubert, da die Schüler:innen und vor allem die unter Prüfungsstress stehende Martina sicher nicht die Zeit dafür gehabt hätten, die Vorführung so perfekt über die Bühne zu bringen. In Abwägung aller Argumente und im Anschluss eine spannende Diskussion erteilt die Jury diesem warmherzig und unterhaltsam inszenierten Film gerne das Prädikat WERTVOLL.



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