oder

FBW-Bewertung: Dora - Flucht in die Musik (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die Pianistin Kyra Steckeweh und Filmemacher Tim van Beveren gingen mit ihrem gemeinsamen Film KOMPONISTINNEN aus dem Jahre 2018 der Frage nach, warum auch heute noch die Kompositionen von Frauen so selten weltweit aufgeführt werden. Und es ist ihr großer Verdienst, dass sie bei den weiteren Recherchen zu diesem Thema auf die Komponistin Dora Peja?evi? gestoßen sind. In ihrer Heimat Kroatien ist sie heute noch ein Begriff, international aber vergessen. Sie wurde 1885 in Budapest geboren, erhielt ihre künstlerische Ausbildung in Dresden und München und verstarb nach der Geburt ihres einzigen Kindes im 37. Lebensjahr im Jahre 1923 in München. Zu ihren Lebzeiten wurden ihre Kompositionen in vielen Städten, zum Beispiel in Dresden, Budapest und Wien, aufgeführt. Nach ihrem Tod geriet sie in Vergessenheit und teilte damit auch das Schicksal vieler anderer Komponistinnen der Musikgeschichte.
Dieser Film wird das Leben einer außergewöhnlichen Frau und ihr Werk verdientermaßen in unsere Zeit zurückführen. Kyra Steckeweh und Tim van Beveren lassen uns teilnehmen an einer jahrelangen Spurensuche. Nur die aufwendige Recherche nach Dokumenten, nach Bildzeugnissen und nach den Noten der Künstlerin, die sie mit viel Glück und auch unter schwierigen Umständen gefunden hatten, in eine filmische Dokumentation einzubringen, war den Beiden glücklicherweise zu wenig. So offenbart sich uns dieser Film auf drei Erzählebenen: Er zeigt uns zum einen lückenlos das Leben der Künstlerin Dora anhand von vielen Bildern, von ihren Briefen ? weitgehend in deutscher Sprache verfasst und im Off auch teilweise vermittelt. Professorin Dr. Koraljka Kos, welche die ersten Forschungen zu Dora schon in den 1970er Jahren durchführte und eine Monografie über Dora publizierte, schildert uns eindringlich Details aus ihrem Leben. Professorin Dr. Beatrix Borchard gibt uns Einblicke in die Genderproblematik während der Lebenszeit von Dora und der damals auch ganz allgemeinen Stellung der Frauen. Auf einer zweiten Erzählebene zeigen uns die Filmemacher mit hervorragendem Archivmaterial der Zeit vor und nach der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert den Hintergrund zu Doras Leben, gut kommentiert im Off und vor allem durch die zeithistorischen Erzählungen von Stefan Zweig. Und auf der dritten Erzählebene dürfen wir einige musikalische Kostbarkeiten von Dora, wenn auch nur in Teilen, genießen. Kyra Steckeweh ist das große Vergnügen vorbehalten, Doras Werke persönlich am Piano vorzutragen. Dass die Spurensuche über Dora letztlich dazu führen konnte, dass die für 1922 in Leipzig geplante Aufführung ihrer ?Sinfonie in fis-Moll op.41" durch den plötzlichen Tod des damaligen Orchester-Dirigenten scheiterte, nun 100 Jahre danach im Leipziger Gewandhaus verwirklicht werden konnte, ist ein weiterer Höhepunkt dieses Films. In der Diskussion durch die Jury nach der Vorführung tauchte auch die Frage auf, ob dieser Film nur als Dokumentarfilm eingestuft werden kann. Der lange Weg der Spurensuche nach Dora und die jahrelange Recherche weltweit zeigt uns der Film auch durch die szenische Einbringung der Filmemacher dabei selbst. Eine Form, welche von einigen Mitgliedern der Jury auch kritisch gesehen wurde. Andere werteten diese aber als schöne Begleitung durch einen an Informationen reichen Film, auch als Ruhepunkte, und letztlich Beweis für das große Engagement von Kyra Steckeweh und Tim van Beveren für die Gleichberechtigung von Frauen. Ein großes Lob verdient die gute Kamera- und Lichtarbeit und vor allem die sehr aufwendige, präzise Montage mit liebevollen Details. Eine Montage, die perfekt die drei Erzählebenen mit sehr schönen Übergängen mit den Rechercheszenen verknüpfte. Also insgesamt ein hervorragend gelungener Film über Leben und Werk einer großen Frau.






Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.