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FBW-Bewertung: One for the Road (2023)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Mark ist ein echt cooler Typ, ein richtiger Kumpel, mit dem man durch Dick-und-Dünn-gehen-kann. Mark ist ein Mensch, der sich nicht unterkriegen lässt, der immer den richtigen Ton trifft und sich irgendwie in jeder Situation zurecht zu finden weiß. Dass Mark gerne trinkt, fällt eigentlich nicht sonderlich ins Gewicht, zumal seine Freunde ja auch gerne mal ein Bierchen zischen. Wichtig ist: Immer wenn Mark gebraucht wird, ist er da und regelt alles für seine Freunde, für seine Mitarbeiter, für alle, die ihn kennen. Als er dann eines lustigen Abends seinen Führerschein abgeben muss, ist das natürlich richtig ärgerlich. Aber was soll?s, kurz zur MPU, den Lappen wiederholen und alles darf so sein, wie es immer war.
ONE FOR THE ROAD führt die Zuschauenden in Szenen, die jeder Mensch von irgendwoher kennt: ausgelassene Stimmung und lockere Sprüche in angeheiterten Runden, Partylaune bis zum Abwinken mit Menschen, die es auch einmal krachen lassen können. Klar, dass dann auch schnell mal der Fragebogen des Gesundheitsministeriums zum Alkoholkonsum zum Party-Game werden kann. Aber die gute Laune wird bald schon auf der Strecke bleiben, zumindest für den von Frederik Lau hervorragend gespielten Mark.
Die Jury zeigte sich überrascht von dem Trip, auf den sie der Film mitnimmt. Was beginnt wie ein Gute-Laune-Film, nimmt bald schon eine dramatische Wendung. Fast unmerklich führt der Film an Marks schmerzhaften Prozess der Selbsterkenntnis heran. Natürlich steht das Regie- und Drehbuchgespann Markus Goller und Oliver Ziegenbalg für kommerziell erfolgreiche Verfilmungen, immerhin waren FRIENDSHIP und 25KM/H echte Kassenmagneten. Aber mit ONE FOR THE ROAD haben sie kein klassisches Buddy-Movie abgeliefert. Ihr Film nimmt sich genauso unterhaltsam wie ernsthaft eines gesellschaftlich tolerierten Problems an: des Alkoholkonsums. In der Diskussion kam die Frage auf, ob ein so ernsthaftes Thema so unterhaltsam aufbereitet werden darf? - Es darf! Die Jury fühlte sich tatsächlich abgeholt, und das ist wahrlich nicht einfach, bei einem an sich sperrigen Thema.
Bisweilen meinte sich die Jury an Thomas Vinterbergs DER RAUSCH erinnert. In ONE FOR THE ROAD soll Alkohol aber nicht die Kreativität steigern, sondern vermeintlich Spaß und Geselligkeit. Sogar im Vorbereitungskurs zur MPU findet Mark Anschluss. Dort sitzt die von Nora Tschirner gespielte Helena. Nur einen Wimpernschlag später werden sich die Beiden in einer Bar wiedertreffen, und noch ein wenig später, mehr isoliert als geeint in ihrer Not, durch Berlin ziehen. Frederik Lau kann in der Wandlung Marks vom Partytier zum Häuflein Elend die volle Bandbreite seines Könnens beweisen.
Die Erkenntnis, dass Alkoholsucht nur wenig mit Lifestyle zu tun hat, setzt sich bei Lau und Tschirner, als Mark und Helena, nur langsam durch. Über lange Zeit gestalten sie den Weg aus der Sucht als ein Spiel, dass sie letztlich nur verlieren können. Und schließlich behält ihr anfangs belächelter MPU-Coach sogar Recht mit seiner Prognose, dass der Weg aus dem Alkohol kaum durch extrinsische, sondern durch intrinsische Motivation geschafft werden kann.
Ohne einen pädagogischen Zeigefinger zu erheben, zeigt ONE FOR THE ROAD, wie wenig Süchtigen vertraut werden kann, besonders dann, wenn es an die Wurzeln der Sucht geht. ONE FOR THE ROAD erarbeitet mit den gut eingesetzten Mitteln des zeitgenössischen Unterhaltungsfilms die Höhen und Tiefen eines Abhängigenschicksals und vielleicht auch den Weg aus einer Abhängigkeit. Auch wenn immer wieder einmal geschmunzelt und gelacht werden kann, hat der Film bei der Jury einen wirklich tiefgreifenden Eindruck hinterlassen.
Der Film verhandelt mit Humor und Härte ein verstörendes und gesellschaftlich relevantes Thema. Sehr gerne vergibt die Jury in Abwägung aller Argumente das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.



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