oder

FBW-Bewertung: Die Schwimmerinnen (2022)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Je schlimmer die Zeiten, desto wichtiger sind Geschichten von Menschen, für die sich Träume erfüllen. Und wenn die Zustände katastrophal sind, dann bringen manchmal nur die Erzählungen noch Hoffnung, in denen die Helden und Heldinnen sich gegen alle widrigen Kräfte durchsetzen. Sally El Hosaini erzählt in ihrem Spielfilm THE SWIMMERS solch eine Geschichte. Und das Wunderbare daran ist, dass sie wahr ist. Ihre Heldinnen sind zwei Schwestern, Yusra und Sara, die im Syrien der Zeit vor dem grausamen Bürgerkrieg aufwachsen. Beide sind talentierte Schwimmerinnen und werden von ihrem Vater trainiert, der seine eigene Karriere als Wettschwimmer abbrechen musste, und danach seinen ganzen Ehrgeiz auf die Töchter projizierte. Nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs entscheiden sich Yusra und Sara, nach Deutschland zu fliehen, weil sie nur dort die Chance sehen, weiter zu trainieren und sich so für die Olympiade in Rio zu qualifizieren. Der Film THE SWIMMERS hat drei Teile mit verschiedenen Themen, Stilmitteln und Stimmungen. Im ersten Teil wird vom Leben der Familie in Damaskus im Jahr 2015 erzählt. Auch nachdem die Angriffe auf die Zivilbevölkerung bereits begonnen haben, fühlt sich die in bürgerlichen Verhältnissen lebende Familie noch sicher. Sally El Hosaini hat dafür ein starkes filmisches Bild gefunden: Während die beiden Schwestern nachts ausgelassen auf einem Dachgarten Party feiern und tanzen, sieht man in der Ferne, wie andere Stadtviertel bereits bombardiert werden. Es ist tatsächlich ein Tanz auf dem Vulkan. Und auch dafür, dass es für die Mädchen zu gefährlich wird und sogar ihr zögerlicher Vater sie auf die Reise nach Europa schickt, gibt es im Film ein dramatisches, großartig komponiertes Bild: Während eines Schwimmwettkampfes wird das Schwimmbad bombardiert und man sieht eine der beiden Schwestern alleine im Pool mit einer Bombe, die langsam zum Boden sinkt. Im zweiten Teil des Films wird die lange Reise der beiden beschrieben, die sich einer Gruppe von Flüchtlingen anschließen und schließlich im Mittelmeer in einem überfüllten Schlauchboot treiben, das zu sinken droht. Beide springen ins Wasser und es besteht die Gefahr, dass sie als professionelle Schwimmerinnen ertrinken ? eine böse Ironie, die El Hosaini in einem Dialogsatz auf den Punkt bringt. Und auch hier hat sie wieder ein passendes Sinnbild für die Absurdität der Situation gefunden: Nachdem sie die Insel Lesbos erreicht haben, werfen die Flüchtlinge ihre Schwimmwesten weg und wenn das Bild zu einer Totalen aufgezogen wird, erkennt man, dass dort in den Dünen Tausende von Schwimmwesten liegen, sie also nur ein kleiner Teil eines riesigen Stroms von Flüchtlingen sind. Im dritten Teil wird dann davon erzählt, wie eine der beiden Schwestern in Berlin einen deutschen Trainer findet und dieser sie für die Olympiade in Rio fit macht. Hier wird schließlich mit den Stilmitteln des Sportfilms erzählt. Vor allem eine rasant geschnittene Sequenz, in der die Mühen und Erfolge des Trainings inszeniert werden, erinnert an berühmte Vorbilder wie ROCKY. Sally El Hosaini gelingt es, in allen drei Akten zugleich spannend und einfühlsam von den beiden jungen Protagonistinnen zu erzählen. Dabei vermittelt sie einen intensiven Eindruck von den Fluchterfahrungen der jungen Frauen. Yusra und Sara sind moderne Syrerinnen, deren Lebenshunger und Vitalität am besten in einigen Sequenzen spürbar wird, in denen sie ausgelassen tanzen. El Hosaini ist es gelungen, einen optimistischen Film über das Leben unter zutiefst deprimierenden Zuständen zu inszenieren. Gerne zeichnet die Jury diesen Film mit dem höchsten Prädikat BESONDERS WERTVOLL aus.



Spielfilm.de-Mitglied werden oder einloggen.