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FBW-Bewertung: Alles Fifty Fifty (2023)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Die Scheidung haben Andi und Marion richtig gut hinbekommen, war ja auch ein hartes Stück Arbeit. Ihrem Sohn Milan mangelt es an nichts, oder doch?

Schon die erste Sequenz setzt nicht nur Thema, Tonfall, Stil und Tempo für diese gleichermaßen leichte wie kluge Beziehungskomödie. Sie bereitet auch die Bühne für das zentrale Duo: Laura Tonke und Moritz Bleibtreu laufen unter der Regie von Alireza Golafshan zur Höchstform auf. Nur ein Tisch trennt die beiden ambitionierten Anwält*innen von den besorgten Lehrerinnen auf der anderen Seite, die ihnen erklären müssen, dass das so mühsam verhandelte Familien-Modell ? eben alles genau zu teilen ? große Lücken aufweist und Milans Schulkarriere (und Wohlergehen) am seidenen Faden hängt. Doch noch sind die beiden glücklich Geschiedenen nicht bereit, sich auf die Gefühlsebene zu begeben. Die Situation wird verhandelt wie ein Gerichtsverfahren. Fall gewonnen, Fall geschlossen, weiter geht es.

Leider nicht, denn die komplizierte Terminplanung führt zu einem unfreiwilligen gemeinsamen Sommerurlaub in Italien, zu dem David Kross als Marions neuer, etwas unterbelichteter Freund und fünftes Rad am Wagen hinzu stößt. Spätestens ab hier ist kein Halten mehr: Die Kamera schwebt in komponierten Bildern durch den Hotelkomplex (besonders gelungen: das Farbschema), der Schnitt perlt nur so über die gefeilten Dialoge und präzisen Blicke, forciert das Tempo und nimmt sich dann wieder Zeit, wenn es emotional wird. Hier ist deutlich spürbar, dass Regie und Schnitt in einer Hand lagen.

Physische wie verbale Humorsequenzen werden anhand von kleinen Situationen (z.B. Marion sperrt sich aus dem Hotelzimmer aus) aufgebaut und elegant gesteigert, ohne dass die Figuren bloßgestellt werden. Vielmehr lacht man über die Situationen und die verworrene Gefühlslage, die aber immer am Thema bleibt: Wie kann gemeinsame Kindererziehung funktionieren, wenn es das Gemeinsame nicht mehr gibt? Dies wird dramaturgisch gespiegelt in dem Parallelstrang auf dem Campingplatz, wo erst Milan und dann Andi unerwartete Verbündete finden.

Uneinigkeit herrscht in der Jury einzig bei dem Setting im italienischen Luxushotel, in dem die Münchner Upperclass absteigt: Während einerseits das leicht entrückte Sommer-Feeling als gewinnbringend für das Genre der Komödie gesehen und in kalten Wintertagen (Kinostart im Januar) für sonnige Momente sorgen wird, stellt sich andererseits die Frage, ob das universelle Thema der gelungenen Trennung nicht durch die überakzentuierte Wohlstandsverwahrlosung in der Bedeutung abgeschwächt wird. Zwar wird in der Parallelhandlung auf dem Campinglatz eine weitere Trennungsgeschichte erzählt, die überspitzt in einer anderen Schicht angesiedelt ist. Diese trägt aber eher dazu bei, die beiden Star-Anwälte in ihrer finanziellen Unangreifbarkeit zu betonen, als den Blick zu weiten.

Am Ende müssen sich alle Charaktere bewegen, damit es gut ausgehen kann. Der Film lässt aber keine monokausale Erklärung zu und begnügt sich auch nicht mit einem platten Happy End. Die Zartheit der Inszenierung und die Spielfreude der Schauspieler*innen tragen hier massiv zum Gelingen dieser eleganten Komödie bei.

Die FBW-Jury vergibt gerne das Prädikat ?besonders wertvoll?.






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