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Tardes de soledad - Nachmittage der Einsamkeit (2025)
Afternoons of Solitude
Spanischer Dokumentarfilm über einen peruanischen Matador.Kritiker-Film-Bewertung:User-Film-Bewertung :
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Andrés Roca Rey, am 21. Oktober 1996 in Lima geboren, stammt aus einer Familie, in der der Stierkampf eine lange Tradition hat. Mit nicht einmal 30 Jahren ist er zu einem Star unter den Stierkämpfern aufgestiegen. An der Seite seiner Toreros reist der peruanische Matador durch Spaniens Arenen, um einen Bullen nach dem anderen nach allen Regeln der Stierkampf-Unterhaltung niederzuringen.
Der Videokünstler und Regisseur Albert Serra hat das blutige Spektakel mit der Kamera begleitet.
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Filmkritik
"Tardes de soledad": Die Einsamkeit des Stierkämpfers
Die Ursprünge des Stierkampfs reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Doch nicht alles, was eine lange Tradition hat, ist auch erhaltenswert. Die heutige Form dieses ungleichen Zweikampfs zwischen Mensch und Tier nahm zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Spanien ihren Anfang und ist, grob vereinfacht zusammengefasst, seit jeher umstritten. Was ein König erlaubte, verbot der nächste Monarch und führte der übernächste Herrscher wieder ein. Kritik an dem grausamen Schauspiel, das auf den Kanarischen Inseln bereits seit 1991, in Katalonien seit 2010 und auf den Balearen seit 2016 abgeschafft ist, kam also nicht erst mit der Tierschutzbewegung auf. Ob der neue Film von Albert Serra ("Pacifiction", "Der Tod von Ludwig XIV.") Tierliebhabern gefallen wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn der preisgekrönte spanische Videokünstler und Regisseur hat einen Dokumentarfilm voller Ambivalenzen realisiert.
Tradiertes Todesballett
Im Zentrum des Films steht Andrés Roca Rey, ein junger peruanischer Matador, der nicht nur wegen seiner kämpferischen Fähigkeiten alle Blicke auf sich zieht. Roca Rey sieht blendend aus und ist sich dessen bewusst. Er kokettiert mit dem Publikum, wirbt um dessen Gunst und legt in jeden Gesichtsausdruck und jede noch so kleine Geste der streng festgelegten Bewegungsabläufe Inbrunst und Pathos. Warum ausgerechnet dieser Matador zum Star avancierte, lässt sich mühelos nachvollziehen, selbst wenn uns Albert Serra nur ihn allein und keinen weiteren Matador zum Vergleich präsentiert. Denn Serras Film glänzt unter anderem durch seine formale Strenge, die sich vollkommen auf den Protagonisten fokussiert. In einem rein beobachtenden Modus bewegt sich der Film ausschließlich innerhalb der Blase, die den Matador umgibt. Artur Torts eng geführte Kamera, die keinen Überblick über die Arenen gewährt, allenfalls die unteren Zuschauerränge notgedrungen einfängt und sich ansonsten voll und ganz auf das Geschehen zwischen Toreros und Stier konzentriert, offenbart aber auch die Abgründe dieses tradierten Todesballetts.
Zwischen Arroganz, Eleganz und Ekel
In seinem Bemühen, eine möglichst spektakuläre Show abzuliefern, geht Andrés Roca Rey ein hohes Risiko ein. Ein ums andere Mal treibt er es auf die Spitze, wie weit er es mit dem Tier treiben kann. Die Eleganz und die Arroganz gehen in seiner Darbietung Hand in Hand. (Den Ekel, der mit dem ritualisierten Abschlachten der Stiere einhergeht, können aber selbst sie nicht verdecken.) Mehr als einmal wird Roca Rey auf die Hörner genommen, was ihn laut Ernest Hemingway, folgt man dessen berühmtem Essay "Tod am Nachmittag" (1932), erst zu einem großen Stierkämpfer macht. Als ein Bulle den Matador mit Wucht gegen die Wand der Arena rammt, stockt einem im Kinosaal der Atem und nicht nur Roca Reys Kollegen vor Ort denken, jetzt ist es vorbei. Doch wie ein Wunder bleibt der Matador unverletzt. Ein weiteres Mal scheint ihn das Kreuz, das an seiner Halskette baumelt und das er vor und nach jedem Auftritt innig küsst, beschützt zu haben.
Ritual und Redundanz
In den Szenen außerhalb der Arena, die den Matador während Autofahrten im Kreis seiner Entourage oder beim Ankleiden im Hotelzimmer zeigen, schält sich sukzessive eine seltsame Verschränkung von Religion und Machismo heraus, die die Beteiligten anzuspornen scheint. In diesem sich gegenseitig selbst bestätigenden und bestärkenden Männerzirkel kommt es ernsthaft darauf an, wer die größten "Eier" (sic!) hat. So faszinierend diese morbide Show auf der großen Leinwand auch wirken mag, letztlich sind es ihre Ritualisierung und die damit verbundenen Wiederholungen, die die Kehrseite vor Augen führen. Dass auch Albert Serra dabei auf Wiederholungen setzt, wieder und wieder die immer selben Kampfabläufe ausgedehnt mit der Kamera einfängt, verfehlt seine Wirkung nicht. Bei einer Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden wirken die "Nachmittage der Einsamkeit", die diesem Dokumentarfilm den Titel geben, schnell redundant. Genau in dieser Redundanz liegt jedoch eine der vielen Stärken eines eindrucksvollen Werks.
Fazit: Albert Serras neuer Film "Tardes de soledad" gewann die Goldene Muschel beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián und setzte sich damit unter anderem gegen namhafte Konkurrenz wie "Konklave" und "The Last Showgirl" durch. Mit seinem formal strengen Porträt des peruanischen Matadors Andrés Roca Rey ist dem spanischen Videokünstler und Regisseur ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm geglückt, der die Faszination für den Stierkampf ebenso einfängt wie dessen verabscheuungswürdige Grausamkeit.
Die Ursprünge des Stierkampfs reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Doch nicht alles, was eine lange Tradition hat, ist auch erhaltenswert. Die heutige Form dieses ungleichen Zweikampfs zwischen Mensch und Tier nahm zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Spanien ihren Anfang und ist, grob vereinfacht zusammengefasst, seit jeher umstritten. Was ein König erlaubte, verbot der nächste Monarch und führte der übernächste Herrscher wieder ein. Kritik an dem grausamen Schauspiel, das auf den Kanarischen Inseln bereits seit 1991, in Katalonien seit 2010 und auf den Balearen seit 2016 abgeschafft ist, kam also nicht erst mit der Tierschutzbewegung auf. Ob der neue Film von Albert Serra ("Pacifiction", "Der Tod von Ludwig XIV.") Tierliebhabern gefallen wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn der preisgekrönte spanische Videokünstler und Regisseur hat einen Dokumentarfilm voller Ambivalenzen realisiert.
Tradiertes Todesballett
Im Zentrum des Films steht Andrés Roca Rey, ein junger peruanischer Matador, der nicht nur wegen seiner kämpferischen Fähigkeiten alle Blicke auf sich zieht. Roca Rey sieht blendend aus und ist sich dessen bewusst. Er kokettiert mit dem Publikum, wirbt um dessen Gunst und legt in jeden Gesichtsausdruck und jede noch so kleine Geste der streng festgelegten Bewegungsabläufe Inbrunst und Pathos. Warum ausgerechnet dieser Matador zum Star avancierte, lässt sich mühelos nachvollziehen, selbst wenn uns Albert Serra nur ihn allein und keinen weiteren Matador zum Vergleich präsentiert. Denn Serras Film glänzt unter anderem durch seine formale Strenge, die sich vollkommen auf den Protagonisten fokussiert. In einem rein beobachtenden Modus bewegt sich der Film ausschließlich innerhalb der Blase, die den Matador umgibt. Artur Torts eng geführte Kamera, die keinen Überblick über die Arenen gewährt, allenfalls die unteren Zuschauerränge notgedrungen einfängt und sich ansonsten voll und ganz auf das Geschehen zwischen Toreros und Stier konzentriert, offenbart aber auch die Abgründe dieses tradierten Todesballetts.
Zwischen Arroganz, Eleganz und Ekel
In seinem Bemühen, eine möglichst spektakuläre Show abzuliefern, geht Andrés Roca Rey ein hohes Risiko ein. Ein ums andere Mal treibt er es auf die Spitze, wie weit er es mit dem Tier treiben kann. Die Eleganz und die Arroganz gehen in seiner Darbietung Hand in Hand. (Den Ekel, der mit dem ritualisierten Abschlachten der Stiere einhergeht, können aber selbst sie nicht verdecken.) Mehr als einmal wird Roca Rey auf die Hörner genommen, was ihn laut Ernest Hemingway, folgt man dessen berühmtem Essay "Tod am Nachmittag" (1932), erst zu einem großen Stierkämpfer macht. Als ein Bulle den Matador mit Wucht gegen die Wand der Arena rammt, stockt einem im Kinosaal der Atem und nicht nur Roca Reys Kollegen vor Ort denken, jetzt ist es vorbei. Doch wie ein Wunder bleibt der Matador unverletzt. Ein weiteres Mal scheint ihn das Kreuz, das an seiner Halskette baumelt und das er vor und nach jedem Auftritt innig küsst, beschützt zu haben.
Ritual und Redundanz
In den Szenen außerhalb der Arena, die den Matador während Autofahrten im Kreis seiner Entourage oder beim Ankleiden im Hotelzimmer zeigen, schält sich sukzessive eine seltsame Verschränkung von Religion und Machismo heraus, die die Beteiligten anzuspornen scheint. In diesem sich gegenseitig selbst bestätigenden und bestärkenden Männerzirkel kommt es ernsthaft darauf an, wer die größten "Eier" (sic!) hat. So faszinierend diese morbide Show auf der großen Leinwand auch wirken mag, letztlich sind es ihre Ritualisierung und die damit verbundenen Wiederholungen, die die Kehrseite vor Augen führen. Dass auch Albert Serra dabei auf Wiederholungen setzt, wieder und wieder die immer selben Kampfabläufe ausgedehnt mit der Kamera einfängt, verfehlt seine Wirkung nicht. Bei einer Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden wirken die "Nachmittage der Einsamkeit", die diesem Dokumentarfilm den Titel geben, schnell redundant. Genau in dieser Redundanz liegt jedoch eine der vielen Stärken eines eindrucksvollen Werks.
Fazit: Albert Serras neuer Film "Tardes de soledad" gewann die Goldene Muschel beim Internationalen Filmfestival von San Sebastián und setzte sich damit unter anderem gegen namhafte Konkurrenz wie "Konklave" und "The Last Showgirl" durch. Mit seinem formal strengen Porträt des peruanischen Matadors Andrés Roca Rey ist dem spanischen Videokünstler und Regisseur ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm geglückt, der die Faszination für den Stierkampf ebenso einfängt wie dessen verabscheuungswürdige Grausamkeit.
Falk Straub
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Besetzung & Crew von "Tardes de soledad - Nachmittage der Einsamkeit"
Land: Spanien, Frankreich, PortugalJahr: 2025
Genre: Dokumentation
Originaltitel: Afternoons of Solitude
Länge: 125 Minuten
Kinostart: 01.05.2025
Regie: Albert Serra
Darsteller: Roberto Domínguez, Francisco Manuel Durán, Antonio Gutiérrez, Francisco Gómez, Manuel Lara
Verleih: Filmgalerie 451