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Ludwig II

Director's Note

Ludwig II. von Bayern starb vor 125 Jahren, sein Stern jedoch steigt unentwegt. Er ist zu einer Kultfigur geworden, die von Walt Disney bis Michael Jackson zahlreiche Künstler und Dichter auf der ganzen Welt inspiriert und Touristen aus aller Herren Länder in jene Schlösser lockt, die er hat erbauen lassen und die heute regelrechte Wallfahrtsorte sind.

Jährlich kommen fast vier Millionen Besucher. Diese Zahl ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass sich Ludwigs Bauten abseits der typisch deutschen Reisemetropolen befinden. Sobald man die Schlossanlagen betritt, erliegt man ihrem Zauber. An Ludwigs Welt der Phantasie und Poesie gibt es etwas, das uns fasziniert, etwas, das sich jenseits von Sprache und kulturellen Besonderheiten befindet, etwas Universelles, das allen Menschen gemeinsam ist. Wenn wir seine Schlösser und Burgen betreten, verspüren wir dieses Geheimnisvolle, das dahinter steht. Und in uns entsteht der Wunsch, diesen außergewöhn- lichen Menschen kennen zu lernen. Den Schöpfer dieser Orte, die so viele Fragen aufwerfen: Wer war er, dieser Mann, der so gar nicht in seine Zeit passte und den die einen für wahnsinnig halten und die anderen für seine Geistesgröße bewundern?

Ludwig wird als königlicher Prinz geboren und träumt davon, das Unmögliche möglich zu machen. Das Leben dieses einzigartigen und einsamen Menschen weckt unsere Neugier. Genau wie seine fantastische und von Poesie erfüllte Welt. Wir alle kennen das Bedürfnis, aus der Realität in eine Fantasiewelt flüchten zu wollen. Die Künste können uns Zutritt zu dieser Welt gewähren. Und hat nicht jeder von uns schon einmal von einem Leben in grenzenloser Freiheit geträumt? Dem Irrationalen in sich gegen jede Vernunft freien Lauf zu lassen? Wenige von uns haben jedoch die Freiheit, Kraft und die Mittel, ihr Leben ohne Kompromiss bis ins Extremste zu führen. Und so bleibt diese Form des Daseins meist auf unsere innerste Vorstellung beschränkt.

Ludwig will den Menschen mit Hilfe von Kunst und Kultur eine bessere Welt erschaffen. Er ist davon überzeugt, der Allmächtige habe ihn zur Erde gesandt, um Gottes Willen des Friedens und der Humanität endlich zur Wirklichkeit werden zu lassen. Von Gottes Gnaden will Ludwig diese Aufgabe mit all seiner ihm gottgegebenen Macht zum Erfolg führen. Dafür ist er sogar bereit, bestehende Regeln zu brechen. Zutiefst frankophil und ein glühender Verehrer von Louis XIV., seinem absoluten Vorbild, setzt er daher alles daran, das Gottesgnadentum neu zu erfinden, welches schon lange seine politische Relevanz verloren hat. Ludwig möchte sein Kulturideal verbreiten, um eine Welt des Friedens und der Menschlichkeit zu schaffen. Und dann ist da auch seine leidenschaftliche Freundschaft zu Richard Wagner, dessen „Retter“ und treuer Mäzen Ludwig wurde. Gegen alle erdenklichen Widerstände holt Ludwig Wagner an seinen Hof; einer seiner ersten Staatsakte als König. Er war sich gewiss, zusammen mit Richard Wagner würde es ihm gelingen, seine friedliche und humanitäre Botschaft weit über die Grenzen Bayerns hinaus anderen Ländern und Kulturen zu vermitteln. Als ein neues Deutsches Reich unter preußischer Ägide gegründet wird, tritt Ludwig von der großen politischen Bühne ab, ohne sich bis dahin in den Vordergrund gedrängt zu haben. Die Ereignisse in dieser Zeit bringen das damalige Europa aus dem Gleichgewicht und überrollen den König und seine Bayern. Er kapselt sich ab, aber er gibt nicht auf und baut bis zu seinem letzten Atemzug unermüdlich an einem Reich nach seinen Visionen. Hier ist er allein der Staat. Später wird ihm die Staatsräson seine Daseinsberechtigung entziehen. Doch Ludwigs Antwort auf die in seinen Augen immer schrecklicher werdende Realität ist nicht Gewalt. Seine Waffen sind die spielerische Phantasie und die Erschaffung von Schönheit.

Ludwig II. ist eine Legende. Wir wollen nicht noch einen weiteren Film machen, der die einzelnen Etappen seiner Biographie bebildert. Wir wollen die Zuschauer auf eine Reise mitnehmen. Auf eine Reise, die ihren Anfang im wirklichen Leben Ludwigs nimmt und uns Stück für Stück die Tore zur Fantasiewelt desjenigen öffnet, der für die Menschheit bis in alle Ewigkeit ein Rätsel bleiben wollte. Wir wollen das Innenleben dieses Künstlerkönigs sichtbar machen, dieses ungezügelten Dieners Gottes auf Erden, der sein ganzes Leben auf der Suche nach Liebe und Vergebung war. Und wir wollen der gepeinigten Seele, die seine rätselhafte Persönlichkeit geprägt hat, eine Stimme verleihen. Die Dreharbeiten finden an den Originalschauplätzen statt, die Ludwig erbauen ließ. Auf diese Weise wird der König in einer authentischen Umgebung authentischer dargestellt – fernab der Klischees und Legenden, die sich seit seinem Tod um ihn ranken. Mit den filmischen Mitteln der Fiktion wollen wir in die unterschiedlichen Facetten seiner Persönlichkeit vordringen und den Mäandern seiner Seele folgen, um so seine Geschichte zu erzählen. Es ist also der Anspruch dieses Projekts, uns Ludwig näher zu bringen, oder genauer, ihm näher zu kommen. Betrachten wir Ludwigs Leben damals und den Film heute, so ergibt sich eine weitere Gemeinsamkeit: Hätte Ludwig heute gelebt, er hätte sich sicher eingehend für das Medium Film interessiert, welches dank seiner Verbindung von Bild und Ton eine neue Welt zu erschaffen vermag. Deshalb werden die ästhetischen und akustischen Aspekte und ihre Interaktion in diesem Film eine sehr wichtige Rolle spielen. Der Film wird Ludwig auf der emotionalen Ebene immer nahe sein und seine inneren Kämpfe erzählen. Auf visueller und akustischer Ebene wird es jedoch darum gehen, die tiefe Liebe, die er für die atemberaubenden Landschaften seines Landes empfunden hat, spürbar und seinen Wunsch, diese Schönheit mit seinen zeitlosen Schlössern – die Schwerkraft und Vernunft zu trotzen scheinen, erlebbar zu machen.

Der Film wird zwei Zeitabschnitte im Leben Ludwigs wieder aufleben lassen: der erste beginnt 1864 mit der Thronbesteigung des bildhübschen jungen Mannes und erstreckt sich bis zur Ausrufung des Deutschen Reiches in Versailles 1871, die den Beginn seiner tragischen Isolation markiert. Im zweiten treffen wir 1886 wieder auf ihn, dem Jahr seines Todes: Ludwig hat seine Schönheit verloren und sich ganz in seine Fantasiewelt zurückgezogen. Er baut an ihr ohne einen Gedanken an seine Finanzen noch an die Machenschaften seiner Minister zu verschwenden, die ihn für wahnsinnig erklären und einsperren lassen. Um die Veränderung des fast überirdisch-schönen jungen Königs zum älteren, dickeren König überzeugend zu erzählen, wird der Darsteller des jungen Königs ein anderer sein, als der des Ludwigs, der sein Leben in der Welt der Kunst und Phantasie verbringt.

Ludwig, der Romantiker, gehört zum 19. Jahrhundert. Seine Vision einer Welt des Friedens, die von humanitären Gesetzen und Kulturidealen regiert wird, ist heute für uns alle umso attraktiver und bildet nach wie vor die Grundlage unserer Hoffnungen auf eine bessere Welt und Zukunft. Zweifellos ist die außergewöhnliche Erscheinung dieses Menschen mit dem so tragischen Ende der Schlüssel für die Faszination, die bis zum heutigen Tage von König Ludwig II. ausgeht.

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