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Once Upon a Time in Hollywood - Leonardo DiCaprio
Once Upon a Time in Hollywood - Leonardo DiCaprio
© Sony Pictures

TV-Tipp für Montag (30.5.): Leonardo DiCaprio kämpft gegen sein Karriereende an

ZDF zeigt Premiere "Once Upon a Time in Hollywood"

"Once Upon a Time in Hollywood", ZDF, 22:15 Uhr
Ende der sechziger Jahre neigt sich die Karriere eines amerikanischen Western-Darstellers (Leonardo DiCaprio) und damit seines langjährigen Stuntmans und besten Freundes (Brad Pitt) dem Ende zu, während der Stern der Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie) aufgeht.

Quentin Tarantino's cineastischer Nostalgie-Liebesbrief an das Hollywood seiner Kindheit, der im Titel bereits verrät, dass der Filmemacher à la "Inglorious Basterds" und "Django Unchained" die Historie wieder filmisch so überschreibt, wie er sie gerne gesehen hätte. Die Macht der Bilder legt sich über die Deutung der Erinnerung und kreiert ein filmisches Paralleluniversum, das den Künstler und sein Publikum mit Genugtuung zurück lässt. Es war einmal...

Mit unglaublicher Akribie in Kulissen, Ausstattung, Kostümen und Maske rekonstruierte Tarantino mit seinem Team das Los Angeles Ende der Sechziger, eine Zeit des gesellschaftlichen wie auch künstlerisch-kommerziellen Umbruchs in der Filmindustrie. Mit noch unglaublicherer Akribie erschuf er berufliche Hintergrundgeschichten der fiktiven Charaktere und mischt dabei nahtlos Fakt und Fiktion. Realen Figuren wie Sharon Tate, Charles Manson, Bruce Lee und Roman Polanski stellt er erfundene wie Rick Dalton, Cliff Booth und Marvin Schwartz gegenüber, die aber allesamt auch historischen Vorbildern entlehnt sind. Ebenso unscharf ist die Trennlinie der im Film gezeigten Kinofilme und Fernsehserien, die teilweise existieren, teilweise erfunden sind.

Der Gedanke, dass Quentin, bekannt für seine drastischen Gewaltdarstellungen, sich der Charles Manson-Morde an Sharon Tate annehmen würde, wird sicherlich skeptische Gefühle hervor gerufen haben, doch in der Handlung fühlt sich das Finale gerade einmal wie ein kontrafaktisches Anhängsel an und unterstreicht nur noch mehr, dass der Filmemacher ganz andere Erzählabsichten verfolgt und dabei große Mitmenschlichkeit beweist. Er nimmt sich unglaublich viel Zeit für seine drei Hauptfiguren und zeigt, wie sie sich in einer sich verändernden Filmindustrie behaupten müssen.

Manche Kritiker hielten diese Herangehensweise für erzählerische Disziplinlosigkeit und einige Zuschauer werden den mit zweieinhalb Stunden sehr langen Streifen als mäandernd und ziellos empfinden. Doch es liegt auch eine Faszination in der Tatsache, dass ein Filmemacher die Möglichkeit bekommt, seine Sichtweise kompromisslos zu verfolgen und einen kommerziellen Film zu drehen, der nicht der Logik eines Hollywood-Blockbusters mit Schablonen wie "Gut - Böse" oder "Steigerung - Finale" folgt. Jede der Vignetten, die zum Beispiel Dreharbeiten, Filmausschnitte und Geschäftsbesprechungen zeigen, ist dabei faszinierend, oft amüsant und wirkt manchmal wie ein kleiner meisterhafter Kurzfilm.

Dass er seine Sichtweise ungeschmälert verfolgen konnte, hatte sich Tarantino vertraglich absichern lassen. Nachdem er erstmals in seiner Karriere nicht mehr mit dem Produzentenduo Bob und Harvey Weinstein nach den Vorwürfen sexueller Gewaltausübung gegen Letzteren zusammen arbeiten wollte, stellte er sein Projekt offen auf den Markt. Es entbrannte ein heftiger Bieterwettbewerb zwischen Annapurna Pictures, Columbia Pictures, Lionsgate, Paramount Pictures, Universal Pictures und Warner Brothers Pictures, den die Sony-Tochter Columbia Pictures schließlich gewann - auch, indem sie sich mit Quentin's weitgehenden Forderungen einverstanden erklärte: Ein Budget in Höhe von 95 Millionen Dollar, das Recht auf die finale Schnittfassung, 25 Prozent der Gewinneinnahmen, die Rechte an dem Film nach zehn Jahren und "außergewöhnliche künstlerische Kontrolle".

Tarantino konnte so seine Version realisieren, mit der er gut ein Jahrzehnt schwanger gegangen war. Der Nukleus des Projektes war 2006 seine Entdeckung gewesen, dass Kurt Russell, sein Hauptdarsteller in "Death Proof", seit Jahren fest mit Stuntman John Casino zusammen arbeitete. Diese Idee baute er aus und verband sie schließlich mit der Sharon Tate-Historie.

Gedreht wurde vor Ort in Los Angeles und so weit wie möglich an Originalschauplätzen, wobei unter anderem das Haus von Roman Polanski und die Spahn-Western-Ranch nicht mehr existierten und durch andere Drehorte ersetzt werden mussten. Ersetzt werden musste auch Burt Reynolds in der Rolle von George Spahn, der während der Vorproduktion im September 2018 starb und dem Bruce Dern nachfolgte. Luke Perry verschied nach den Dreharbeiten; der Film ist ihm gewidmet.

Das US-Drama feierte 2019 im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes seine Uraufführung, wo es leer ausging. Dafür gab es mit über 100 Preisen und über 300 Nominierungen in der Preisverleihungssaison 2019/2020 umso mehr Anerkennung, insbesondere für Nebendarsteller Brad Pitt, der mit dem Academy Award, dem Golden Globe, dem Britischen Filmpreis und dem Screen Actors Guild Award den "Grand Slam" der Schauspielgilde und seinen Karrierehöhepunkt erreichte.

Ein weiterer Oscar ging an die Bühnenbildnerinnen; dazu waren der Film, Regisseur Quentin Tarantino, sein Drehbuch, Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio, Kameramann Robert Richardson, Kostümbildnerin Arianne Phillips, Ton-Cutter Wylie Stateman und die Tonmischer nominiert. Golden Globe Awards gingen noch an den Film und Drehbuchautor Tarantino; nominiert waren Regisseur Tarantino und Hauptdarsteller DiCaprio. Für den Britischen Filmpreis nominiert waren der Film, Regisseur Tarantino, sein Drehbuch, Hauptdarsteller DiCaprio, Nebendarstellerin Margot Robbie, Cutter Fred Raskin, die Bühnenbildnerinnen, Kostümbildnerin Phillips und Besetzerin Victoria Thomas. Da DiCaprio auch für den Screen Actors Guild Award nominiert wurde, machte er wie Kollege Pitt den "Grand Slam" zumindest auf Nominierungsebene voll.

Mit weltweit 374 Millionen Dollar wurde "Once Upon a Time in Hollywood" auch ein kommerzieller Erfolg.

Kritiker Brian Eggert schrieb in "Deep Focus Review": "Der Film zeigt Quentin Tarantino in seiner größten Menschlichkeit und Reife. Wie in 'Jackie Brown' verlässt er sich weniger auf Anspielungsreichtum, sondern mehr auf die Ergründung vielschichtiger, voll ausgebildeter Charaktere, die zu leben und atmen scheinen."



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