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American History X mit Edward Norton
American History X mit Edward Norton
© New Line Cinema

TV-Tips für Samstag (9.5.): Edward lehrt Edward

Pro7 zeigt Meisterwerk "American History X"

Heute lohnt sich langes Aufbleiben, denn im Nachtprogramm strahlt Pro7 Tony Kaye's Meisterwerk "American History X" mit den doppelten Edwards Norton und Furlong aus - ein Film, der inhaltlich wohl leider nie etwas von seiner Brisanz einbüßen wird.

"Der große Crash - Margin Call", ARD, 23:10 Uhr:

"Margin Call", so der Originaltitel, ist ein Terminus aus der Finanzwelt: Wenn ein Broker einen Margin Call ausruft, dann fordert er auf, weiteres Kapital als Sicherheitsleistung nachzuschießen, weil sich bei einem kreditfinanzierten Handel der Kurs derart negativ entwickelt hat, dass die bisherige Sicherheitsleistung nicht mehr ausreicht. Mit anderen Worten: Der Arsch geht auf Grundeis.

Und nicht viel anders stellt sich das Geschehen in diesem Thriller von 2010 dar, der mit der Ausgangslage operiert: Wie sah es eigentlich in einer dieser Investment-Firmen an der Wall Street aus, als sie sich 2007 bewusst wurden, dass das Spiel mit wertlosen Immobilienkrediten kurz vor dem Aus stand? Und damit auch ihr eigenes Haus. Drehbuchautor und Regisseur JC Chandor lieferte mit seinem Regiedebüt hier also so etwas wie den "Film zur Krise", und es gelingt ihm vorzüglich, ein eigentlich sperriges Thema mit viel finanzspezifischen Geblubber zu einem fesselnden und zum Nachdenken anregenden Streifen zu machen.

Intelligent, wie ein Räderwerk ineinander greifend und von einem phantastischen Ensemble rund um Zachary Quinto (der auch mitproduzierte) getragen, schafft es "Margin Call", in einem Raum sitzende, redende Menschen spannend wirken zu lassen. Dabei vermittelt der Film durch seine "Echtzeit"-Struktur der Erzählung von innerhalb 36 Stunden eine Unmittelbarkeit, die den Druck, unter dem alle handelnden Personen stehen, glaubwürdig transportiert. Zur Authentizität trägt sicherlich auch bei, dass die Filmemacher direkt vor Ort im 42. Stock eines Hochhauses in New York City drehen konnten, der gerade von einer Finanzfirma geräumt worden war.

Die Kritiker waren begeistert, und Chandor's Drehbuch wurde für einen "Oscar" nominiert, allerdings kam die Independent-Produktion in nur wenige Kinos. Dank des geringen Budgets von lediglich knapp vier Millionen Dollar war sie trotzdem profitabel. Dennoch hat sie noch mehr Zuschauer verdient - und sei es heute Abend vor dem Fernseher. Kritiker Will Leitch von "Deadspin" schreibt: "Der Film bekommt die kleinen Details gut hin - die Art, wie jeder nur noch eine schlechte Woche davon entfernt ist, seine Miete nicht mehr zahlen zu können, die Art, wie man eine Unterhaltung mit seiner Kollegin führen kann und niemand auch nur einen Gedanken an die zwischen ihnen stehende Putzfrau verschwendet."




"Butterfly Effect", Pro7, 23:15 Uhr:
Ein junger Mann (Ashton Kutcher) blendet schädliche Gedanken an wichtige Ereignisse aus seinem Leben auf. Als er älter wird, findet er eine Möglichkeit, diese verlorenen Erinnerungen zurückzurufen und auf eine übernatürliche Weise sein Leben zu verändern.

Der Titel dieses Thrillers von 2004 bezieht sich auf ein Konzept aus der Chaostheorie ("Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Hurricane auf der anderen Seite der Erde auslösen"), das beschreibt, wie selbst kleinste Effekte riesige und völlig unvorhergesehene Folgen haben können. Insofern ist der Titel irreführend, denn J Mackey Gruber und Eric Bress beschreiben in ihrem Regiedebüt, zu dem sie auch das Drehbuch beisteuerten, eher einen Dominoeffekt: Hier zeitigt eine Handlung eine andere, beschränkt auf das enge Umfeld der Hauptfigur.

Die Filmemacher hatten einerseits eine faszinierende Idee, anderseits aber extreme Probleme, ihren Film befriedigend zu Ende zu bringen. Nicht weniger als vier verschiedene Schlusssequenzen wurden gedreht. Gruber und Bress bevorzugten das Director's Cut-Ende auf Disc. Für die Kinoversion hatten sie sich damit bei den Produzenten von New Line Cinema nicht durchsetzen können; das Filmstudio bestand auf einem glücklicheren Ausgang. Und der Erfolg gab ihm wohl Recht, denn der Streifen wurde ein solider Erfolg an den Kinokassen, so dass sogar 2006 und 2009 Fortsetzungen produziert wurden, die allerdings nichts mit dem Original zu tun hatten.

Bei den Kritikern fiel "The Butterfly Effect" zwar durch. Aber die Zuschauer sahen das offenbar ein bisschen anders. So auch ein israelischer Betrachter: "Vor allem ist es den Filmemachern gelungen, das Unglaubliche zu schaffen und Ashton Kutcher zu einem guten Schauspieler zu machen. In dieser Geschichte scheint aber sowieso alles möglich. Für mich war der Film wie eine Brise frischer Luft und hat mich tagelang zum Nachdenken gebracht. Wenn ein Streifen einen für 113 Minuten so fesselt, dann kann ich vor dem Talent der Filmemacher nur demütig meinen Hut ziehen."



"American History X", Pro7, 01:15 Uhr:
Ein früherer Neo-Nazi (Edward Norton) versucht seinen jüngeren Bruder (Edward Furlong) davon abzuhalten, den gleichen Weg einzuschlagen, der ihn zum Mörder gemacht und ins Gefängnis gebracht hat.

Schon das Filmplakat zu diesem Drama von 1998 kommt provokant daher: Da fasst sich der mit nacktem Oberkörper abgelichtete Norton mit der Hand an seine Herzseite - wo ein riesiges tätowiertes Hakenkreuz zu sehen ist. Der Film ist teilweise ähnlich harter Tobak und hat mit der berüchtigten Asphaltkantenszene wohl in der Realität auch tatsächlich Nachahmungstäter inspiriert, die 2012 einen Jungen in der Uckermark ermordeten.

Indes lässt das packende Werk keinen Zweifel daran, dass seine Sympathien nicht auf Seiten der amerikanischen Neonazis liegen, woran auch die großartige und glaubwürdige Darstellung von Edward Norton, die mit einer "Oscar"-Nominierung honoriert wurde, einen großen Anteil hat.

Dass "American History X" solch ein Meisterwerk geworden ist - eine kunstvoll verschachtelte Reflexion über Gewalt und Rassismus - grenzt fast an ein Wunder, denn in der Postproduktion tobte eine Auseinandersetzung im Schneideraum. New Line Cinema nahmen Regisseur Tony Kaye praktisch den Film weg, nachdem sie mit seiner zweiten Schnittfassung, die sich sehr von der ersten unterschied, nicht zufrieden waren. Cutter Jerry Greenberg wurde beauftragt, eine dritte Fassung zu erstellen, die dann auch ins Kino kam. Kaye distanzierte sich von dieser und wollte sogar namentlich nichts mehr mit dem Film zu tun haben, was ihm von der Regisseursgilde Directors Guild of America (DGA) verwehrt wurde, woraufhin er diese und das Filmstudio auf Schadenersatz verklagte.

Trotz dieser widrigen Umstände behielt das Filmstudio am Ende Recht: Der Final Cut sorgte für positive Kritiken und begeisterte Zuschauer, auch wenn das Werk nicht in allzu vielen Kinos startete - "American History X" ist sicher vieles, aber nicht kompatibel mit dem Massengeschmack.

Auch ein kanadischer Zuschauer nimmt das Wort "Meisterwerk" in den Mund: "Ich wollte den Film sehen, seitdem mein Lehrer ihn in der 10. Klasse gesehen hat. Ich wünschte, ich hätte nicht all die Jahre gewartet, bis ich ihn dann endlich gesehen habe, aber vielleicht war das auch ganz gut so, denn er hätte mich mit 14 Jahren vielleicht etwas traumatisiert. Dieser Film ist außerordentlich! Er bringt zum Nachdenken, er frustriert, man möchte schreien, und man weint sogar. Dieses Werk ist in so vielerlei Hinsicht bewegend - ich kann kaum beschreiben, wie echt und ehrlich er sich anfühlt."



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