
Kritik: Lust auf Anderes (2000)
Am Beispiel eines raubeinigen und hausbackenen Unternehmers, der wie ein willenloser Dackel seiner versnobten und exzentrischen Englischlehrerin hinterher hechelt, spielt Regisseurin Agnès Jaoui mit den Reizen des Ungewohnten bzw. des Fremden oder Eindringlings. Hintersinnig und mit viel Sprachgefühl vermischt Jaoui die stümperhafte Rockzipfeljagd und das intellektuelle Verwirrspiel der Angebeteten zu einem tragikomischen Spalierlauf, in dessen Verlauf etliche Figuren auf der Strecke bleiben. Ohne es so recht zu wollen, gerät der unbeholfene Verehrer in einen Strudel aus Intrigen und undurchsichtigen Kabalen, wobei er kein Fettnäpfchen auslässt. Jaoui, die selbst in einer Nebenrolle brilliert, vermeidet in all dem Durcheinander eine klare Stellungnahme, sondern beschränkt sich auf die Schilderung der Unverträglichkeit von Biedermann und Avantgarde. Aus gerade diesem Kontrast zieht der Film seine oft als unfreiwillig inszenierte Komik, die ein ums andere Mal in tiefe menschliche Abgründe mündet, ohne diese auszuschlachten. Neben einer ganzen Serie skurriler Situationen bietet der Film auch einen subtilen Seitenhieb auf sektiererisches Gehabe und Standesdünkel. Insofern schlummert in diesem feingesponnenen Werk neben der teilweise brutalen Schilderung sozialer und kultureller Klüfte auch etwas versöhnliches.
Kerstin Seitz