
Kritik: Tsatsiki - Tintenfisch und erste Küsse (1999)
Alles in allem wird mit Klischees und naiven Übertreibungen nicht gespart, so gerät die übercouragierte Rock-Mutter Tina mit ihrem sozialen Engagement und Gerechtigkeitssinn geradezu in die Nähe eines Robin Hood, der allzu pflegeleichte Tsatsiki indes entwickelt Züge eines märchenhaften Wunderknaben und der um Tina buhlende Streifenpolizist bringt sich vor lauter Rührung und Verständnis fast um den Verstand. Soweit die Rollen, doch die exzellente und einfühlsame schauspielerische Umsetzung macht diese Defizite mehr als wett – bei all der Niedlichkeit des Filmes will man diesem Werk nahezu alles verzeihen, auch die Tatsache, dass mit einer alleinerziehenden Mutter und einem quasi vaterlosen Jungen durchaus ein heikles Thema berührt wird. Vor einer letztendlichen Auflösung von Tsatsikis Vatersuche schreckt der Film denn auch zurück, sondern beschränkt sich auf einen sinnvollen Kompromiss: Vater gefunden, Mutter nimmt trotzdem einen anderen.
Auch eine gelungene Kamera mit gelegentlichen Raffinessen und symbolischen Perspektiven gespickt hebt diese Geschichte von den verklärten Lindgren-Idyllen aus schwedischer Produktion ab. Man muss diesen Film und seine Personen einfach gern haben – allen voran die bezaubernde Alexandra Rapaport als Single-Mutter, die ihren Balanceakt zwischen wilder Rockröhre und charmantem Mädchen gekonnt über die Bühne zieht. Fürwahr – ein Film von einer halben, aber für die ganze Familie!
Titus Beile