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FBW-Bewertung: The Man Who Killed Don Quixote (2014)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Nach einhelliger Meinung der Jury ist Terry Gilliam mit THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE ein fesselndes Stück Kino gelungen, das in seiner dichten Atmosphäre und mit seinen vielschichtigen Bezugsebenen lange nachwirkt. Grundlage seiner furiosen Erzählung ist das literarische Cervantes-Motiv des Don Quixote, der mit seinem Knappen Sancho Panza dem Rittertum nacheifert, während ihm zunehmend Realitätund Fantasie verschwimmt. Auf der inhaltlichen Ebene gelingt es dem Film meisterhaft, mit den Motiven dieser klassischen Literaturvorlage so klug, frei und ungehemmt zu spielen, als würde eine erfahrene Jazzcombo lustvoll einen Brubeck-Standard improvisieren. Dazu gesellt sich auf verschiedenen Ebenen ein starker selbstironischer Bezug nicht nur zum Gilliamschen Werk, sondern auch zur über 20 Jahre währenden Entstehungsgeschichte des Films. Wie fatal ein erster Versuch zur Umsetzung des Stoffes kolossal gescheitert war, hatte Terry Gilliam 2001 im Dokumentarfilm LOST IN LA MANCHA bereits thematisiert. THE MAN WHO KILLED DON QUIXOTE ist nun die finale Aufarbeitung dieser dramatischen Erfahrung. Hatte Cervantes seinen »Don Quixote« außerdem einst als Parodie auf seinerzeit erfolgreiche Ritter-Schundromane verfasst, so darf Gilliams Version zweifellos auch als Reflexion auf den heutigen Kampf zwischen Kreativität und Kommerz gesehen werden, der vor allem in der Filmbranche, aber auch grundsätzlich in unserer Gesellschaft tobt. Gilliam-Kenner werden sich zudem über viele Verweise auf frühere Werke freuen: Von DIE RITTER DER KOKUSNUSS über KÖNIG DER FISCHER bis hin zu FEARAND LOATHING IN LAS VEGAS reichen die werkimmanenten Verknüpfungen. Der größte Anteil der visuellen und dramaturgischen Feinarbeit am Konstrukt des Films nehmen aber Verquickung und Verzahnung von unterschiedlichen Realitäts- und Wahnebenen ein, die so schwung- und kunstvoll ausfallen, dass derFilm staunen lässt. Trump, Islam, Russland, Hollywood, Terrorismus ? der Film birst vor Metaebenen und Anspielungen.
Doch bei aller Komplexität der Erzählstruktur, die niemals den Geist seiner klassischen Vorlage verrät, und bei aller Ernsthaftigkeit der genannten Anliegen: Wie in allen seinen Filmen zuvor gelingt es Terry Gilliam auch hier wieder, mit absurder Komik den Ton stets heiter zu halten. Großen Anteil daran halten sicherlich auch die beiden Hauptdarsteller Jonathan Pryce und Adam Driver, die exakt jene Balance perfekt beherrschen. Enorme Schauwerte halten schließlich auch Kostüm, Maske und Ausstattung bereit, die ebenso detailverliebt den Sog des Films unterstützen wie die herausragende Musik. Ein wahrhaft opulenter Film über Ritter in einer Zeit, in der die sprichwörtliche Ritterlichkeit vor die Hunde geht.




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