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FBW-Bewertung: Noah (2014)

Prädikat wertvoll

Jurybegründung: Noah erlebt als Kind sein großes Trauma: Gerade als sein Vater ihm die Haut der Schlange aus dem Garten Eden übergeben will, die über Generationen in der Sippe weitergereicht wurde, zieht der Herrscher Tubal-Kain, ein Nachfahre Kains, mit seinen Horden heran, tötet den Vater und nimmt die Schlangenhaut an sich. Noah kann fliehen und zieht sich in die Einöde zurück, wo er auch später mit seiner Frau Naameh und seinen Söhnen Sem, Ham und Jafet lebt. Er lehrt sie, ehrfürchtig zu sein und die Natur zu achten. Als er in einem Traum die Erde von Wasser bedeckt sieht, beschließt er, eine Arche zu bauen. Noch bevor dieArche fertig gestellt ist, strömen aus allen Richtungen die verschiedenen Tiere paarweise hinein, aber in der Familie entstehen Konflikte
Der Film von Darren Aronofsky ist inspiriert durch die biblische Geschichte von Noah, wie sie im Buch Genesis geschildert wird, gleichwohl hat Aronofsky einige Modifikationen und Modernisierungen vorgenommen. Er erzählt die Geschichte als grandioses Fantasy-Abenteuer, das ein hohes Maß an Schauwerten aufweist, aber immer wieder von ruhigen, reflexiven Passagen unterbrochen wird, in denen mystische Fragen erörtert werden. Wiewohl die kammerspielartigenSzenen, in denen menschliche Konflikte thematisiert werden, durchaus überzeugen, liegt die besondere Stärke des Films in seiner Bilderkraft. Modernste Computeranimationen und spektakuläre 3D-Effekte erschaffen eine Szenerie überirdischer Wunder und Katastrophen: Die gewaltige Arche, die anschwellende Flut, die Verwandlung der Wüste in einen Regenwald oder die im Zeitraffer geschilderte Evolution sind beeindruckende Bilderfolgen, die nachhaltig in Erinnerung bleiben. Andere Effekte wie die steinernen Wächter erinnern dagegen an Kreaturen aus HERR DER RINGE.
Die Schauspieler stellen die Charaktere glaubhaft dar: Russell Crowe als zerrissener Titelheld, Anthony Hopkins als charismatischer Methusalem, aber auch Jennifer Connelly und Emma Watson, die als Naameh und als Ila starke Frauenfiguren geben. Dass der Film dennoch nicht vollends überzeugen kann, liegt eher daran, dass dieModernisierungen und Ausschmückungen laut Ansicht der Jury nicht immer stimmig sind. Der Film plädiert für ökologische Verantwortung, aber der andauernde Zwist zwischen dem gottesfürchtigen Noah aus dem Stamm Set und den ?sündigen" Nachkommen Kains erscheint weitgehend als ein Konflikt zwischen Stadt und Land, Jägern und Sammlern, Fleischessern und Vegetariern. In seinem ökologischen Rigorismus, die Schöpfung zu retten, betreibt Noah die Ausrottung der Menschheit, die er dafür verantwortlich macht. Seine Zwiesprache mit Gott ist im Film nicht nachvollziehbar. Er wirkt eher wie einunbeirrbarer Sektenführer, der keinen Widerspruch duldet. Das gilt auch für die eigene Familie. Indem der Film das biblische Geschehen auf die moderne Kleinfamilie herunterbricht, erscheint Noah als der sture Rechthaber und Patriarch, der jegliche freie Meinungsäußerung und Entfaltungsmöglichkeit seiner Angehörigen rigoros unterbindet. In diesem Setting wirkt es erstaunlich, dass die als stark gekennzeichneten Frauen zwar Einwände vorbringen, aber nie rebellieren. Der einzig glaubhafte Konflikt ist der mit seinem Sohn Ham, der allerdings nicht in aller Konsequenz ausgeführt ist. Ham erscheint als der gekränkte Sohn, der keine Frau haben darf und deshalb letztendlich seiner Wege geht. Was eine solche Modernisierung der Noah-Geschichte letztlich den Zuschauern von heute geben kann, muss jeder einzelne für sich selbst beantworten.



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