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FBW-Bewertung: Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Mit der bewährten Besetzung des für jeden Exzentriker prädestinierten Johnny Depp als lispelnden Hutmacher, der wunderschönen Mia Wasikowska als Alice, der beliebten Anne Hathaway als ätherische Königin und Helena Bonham Carter als ihre durchgeknallte, böse Schwester inszenierte James Bobin die heute beinahe in Vergessenheit geratene Fortsetzung des Klassikers ?ALICE IM WUNDERLAND? als opulent ausgestatteten Abenteuer-Film für die ganze Familie.
Der im Vorjahr verstorbene britische Schauspieler Alan Rickman ist im Original zudem in seiner letzten Rolle zu hören. Die Figuren des Wunderlandes spielen wie ein Chor in einer griechischen Tragödie mit Ausnahme des Hutmachers in diesem Film leider nur untergeordnete Rollen.
Die Autoren meistern grandios die Herausforderung, aus den losen Episoden der Vorlage eine stringente, gut getimte und runde Geschichte zu schmieden, die die viktorianische Zeit nur noch als Rahmen nutzt. Sie bedienen die Trends des modernen Kinos, Märchen neu zu interpretieren und Geschichten dramaturgisch wie ein Computerspiel aufzubauen, in dem die Heldin die Herausforderungen Stufe für Stufe meistert. Ihre Story bedient sich zudem eindrucksvoll aus den Mythen der Filmgeschichte. Einige Anspielungen auf das heute nur noch für Belustigungsorgende Frauenbild der Victorianischen Zeit sowie Siegmund Freud, an denen vorrangig das erwachsene Publikum seinen Spaß hat, runden die Story ab.
Bobin führt als Klammer eine Zeitreise für Alice ein. Hinter den Spiegeln erwartet sie eine bizarr-verrückte Welt, in der im Gegensatz zum strengen Gesellschaftskorsett des Viktorianischen Londons alles möglich scheint. Nur eines hat sich seit ihrem ersten Besuch verändert. Der Hutmacher ist in einemMeer der Traurigkeit versunken, nachdem er an den Verlust seiner Familie erinnert wurde.
Es gibt nur einen Ausweg. Alice muss die Chronosphäredes Zeitmeisters stehlen, um an Ort und Stelle herauszufinden, was damals geschehen ist. Eng verbunden mit der Familiengeschichte des Hutmachers ist das Schicksal der beiden Königinnen. Hier gibt der Film im Stile eines klassischen Disney-Familienfilms behutsam und unterschwellig Anstöße zumNachdenken über Schuld, Sühne und Versöhnung.
Die Zeitreise von Alice führt zu Diskussionen über die Veränderbarkeit der Vergangenheit und die Folgen der Begegnung mit dem eigenen Ich, die nicht nur allen Fans der ?Zurück in die Zukunft?-Trilogie bekannt sind. Doch im Gegensatz zu Zemeckis Transportvisionen mit der Technik aus den 1980ern reist Alice mit den Teilen eines klassischen Uhrwerks vom Ende des 19. Jahrhunderts, das an H.G. Wells erinnert.
Auch die Synchronisation verdient ein Lob. Sie spielt mit den Dialogen und packt alle deutschen Sprichwörter zum Zeitbegriff in den Text. Dabei schafft sie sogar Gags, die es im Englischen so wahrscheinlich nicht geben kann ? wenn sich etwa Alice wundert, dass die Zeit ein Er sei.



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