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FBW-Bewertung: Mein Herz tanzt (2014)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Arabern fällt es schwer das'P'richtig zu artikulieren, wohingegen Israelis Probleme mit der Aussprache des Namens Eyad haben. Das sind Schwierigkeiten, die sich im Verlauf von MEIN HERZ TANZT in Luft auflösen werden, andere Schwierigkeiten aber werden bestehen bleiben.

Eran Riklis Spielfilm begleitet Eyad, der Ende der 70er Jahre als Palästinenser in Israel aufwächst. Der blitzgescheite Junge ist in der Nachbarschaft beliebt, auch wenn sich sein Vater, der einst als Terrorist verhaftet wurde, als Tagelöhner durchschlagen muss. Ende der 80er Jahre wird Eyad als erster Palästinenser an einer Elitekunsthochschule in Jerusalem angenommen. Er verlässt seine Familie, um sein Studium unter Israelis aufzunehmen. Dort lernt er nicht nur eine neue Sicht auf die Lage der Palästinenser kennen, sondern freundet sich auch mit dem schwer erkrankten Israeli Yonatan an.

Mit Herz und Humor greift MEIN HERZ TANZT das tägliche Misstrauen und die Schikanen auf, denen sich Palästinenser ausgesetzt sehen. Aber Regisseur Eran Riklis Film klagt nicht bloß an. Mit Interesse hat die Jury wahrgenommen, dass er auch ein wenig Lachen über den Wahnsinn gestattet, der seit Jahrzehnten den Alltag der Region bestimmt. DieseLeichtfüßigkeit kann auch jenen Zuschauern den filmthematischen Zugang erleichtern, die sich mit politischen Themen eher schwer tun. Gleichwohl hat sich die Jury vorstellen können, dass sich politisch interessierte Kinogänger, besonders zu Beginn des Filmes, mit dem stark ausgeprägten Humor schwer tun könnten. Hier verliert der Film ein wenig seiner starken Gesamtwirkung. Auch die deutsche Synchronfassung wurde von der Jury kritisiert.

Dennoch ist sich die Jury sicher, dass MEIN HERZ TANZTüber so viel Esprit und Kraft verfügt, dass über diese Defizite schlichtweg hinweggesehen werden darf. Mit genauso viel Mut wie Unterhaltungswert wagt sich der Film an ein komplexes Thema und vermag Tabus scheinbar mühelos zu brechen.

Besonders beeindruckt zeigte sich die Jury von den wirklich liebevoll entwickelten Charakteren. Riklis zeichnet dasüberzeugende Portrait eines Teenagers, der sich nicht nur durch die Pubertät kämpft, sondern es auch noch mit seiner kulturellen Identität und deren Ablehnung durch seine Umgebung zu tun hat. Hilfe bekommt er von der israelischen Mitschülerin Naomi, in die sich Eyad verliebt, und von seinem ?Sozialprojekt?, dem sterbenskranken Yonatan und dessen Mutter, denen er wie ein Bruder und Sohn zur Seite steht.

In Szenen der Nähe hebt der Film das Thema Integration, bzw. Inklusion auf ein besonderes Niveau. Wenn er mehr oder weniger implizit die Antwort darauf gibt, ob man von Geburt an Araber, Israeli oder behindert ist, oder aber erst im Laufe der Zeit dazu gemacht wird, dann ist schon viel in Sachen des Miteinander gesagt.

MEIN HERZ TANZT ist ein außergewöhnlicher Film über Grenzgänge, der mit unverhofftem Schwung und Leichtigkeit, aber gänzlich ohne Pathos, vom schwierigen Verhältnis von Palästinensern und Israelis erzählt.



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