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FBW-Bewertung: La Buena Vida - Das gute Leben (2015)

Prädikat besonders wertvoll

Jurybegründung: Der Dokumentarfilm porträtiert den Kampf einer indigenen Dorfgemeinschaft um angestammte Daseinsrechte und den Erhalt ihrer Lebensform im Norden von Kolumbien. Das Volk der Wayúu besiedelt ein fruchtbares Gebiet auf der Halbinsel La Guajira. Das Land um die Dorfgemeinschaft Tamaquito ermöglicht den beiden Clans Jagd, Fischfang und Gartenbau. Mit dem Anbau von Mais, Maniok, Bohnen und anderen Früchten sichern sich ihre Bewohner ein gutes Leben im Einklang mit überlieferten Traditionen. In ihrem Siedlungsgebiet befindet sich jedoch auch das größte Steinkohlevorkommen Südamerikas. Betrieben von internationalen Rohstoffkonzernen, frisst sich der großflächige Kohleabbau in der Grube ?El Cerrejón? immer raumgreifender und zerstörerischer in die nördlichen Waldgebiete hinein und vertreibt ihre Anwohner. Der Regisseur Jens Schanze ? der für seinen 2001 auf 16mm gedrehten Debütfilm OTZENRATHER SPRUNG über eine Dorfumsiedlung im rheinischen Braunkohlerevier den Adolf-Grimme-Preis erhielt ? bezieht einmal mehr Position für die Opfer nationaler und internationaler Marktinteressen. Der einfühlsame Dokumentarfilm verzichtet dabei auf Voice-Over und erklärt die Zusammenhänge aus ihrer aktuellen Geschichte heraus. Mitfühlend begleitet er die Gemeinde und ihren Anführer Jairo Fuentes bei dem unausweichlichen Prozess ihrer Umsiedlung. Die Kamera ist mit dabei, wenn die Dorfbewohner sich versammeln, um Strategien im Kampf gegen ihre drohende Vertreibung zu diskutieren, oder wenn sich ihrAnführer mit den ?Ältesten? berät, um friedliche Lösungen im ungleichen Interessenkonflikt zu finden. Dazwischen ertönen aus dem Off immer wieder aktuelle Radiomeldungen über militante Guerilla-Aktionen. Ebenfalls zu Wort kommt ein Sprecher des Cerrejón-Konsortiums, der stolz das Unternehmen präsentiert - inklusive der kleinen Villen mit Vorgärten für führende Grubenmitarbeiter.
Als der Konflikt zwischen El Cerrejón und den Wayúu in einer gewaltsamen Räumung zu eskalieren droht, werden stockende Vertragsverhandlungen wieder aufgenommen und das Konsortium willigt ein, die Forderungen nach Wasser-Reservoirs in Form von zwei Teichen im neuen Siedlungsgebiet zu erfüllen. Als der schmerzvolle Umzug ? begleitet von einem psychologischen und logistischen Betreuerteam ? vonstatten geht, finden sich Familien in gemauerten ?modernen? kleinen Wohneinheiten mit WC und spärlich fließend Wasser wieder. Das umliegende Land jedoch ist versteppt und lässt die mitgeführten und eifrig gepflanzten Setzlinge schnell wieder verkümmern. Die geschlossenen Verträge, die entsprechende Wasservorräte sichern sollten, wurden bis heute nicht erfüllt. In den Schluss-Sequenzen des Films sieht man Jairo Fuentes nach Europa reisen, um auf die Vertragsverletzungen der Konzerne aufmerksam zu machen und die Rechte seines Volkes einzuklagen, die nun, aller Möglichkeiten der Subsistenzwirtschaft beraubt, in ihrer unwirtlichen Umgebung Schulungen in Marktwirtschaft erhalten, um z.B. traditionelles Kunsthandwerk (Touristenkunst) und andere Start-up-Unternehmen profitabel zu betreiben. Der berührende Dokumentarfilm ergreift Partei, indem er seine Akteure begleitet und für sich sprechen lässt. So gelingt es Jens Schanze, das politisch brisante Vorgehen eines internationalen Kohlekonzerns gegen die indigene Bevölkerung Kolumbiens öffentlich zu machen und anzuklagen.



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